© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


Justiz: In Kiel wird erneut gegen den mutmaßlichen Brandstifter Safwan Eid verhandelt
Die Richter sind nicht zu beneiden
Jochen Arp

Feuer und Flamme für diesen Staat!" – von diesem seit Jahren in der autonomen Szene beliebten Slogan wollen Linksextreme zur Zeit nichts wissen, wenn es um die Herkunft von Feuer und Flammen in einem Lübecker Asylbewerber-Heim vor dreieinhalb Jahren geht.

Am vergangenen Freitag begann vor der Jugendstrafkammer des Kieler Landgerichts die Neuverhandlung gegen den Libanesen Safwan Eid. Als das Gericht an diesem ersten Verhandlungstag zusammentrat, demonstrierten rund 100 Linksextreme vor dem Gericht, weil nach ihrer Meinung der Libanese nicht der Täter gewesen sein darf. Wer in Deutschland einen Dunkelhäutigen anklagt, ist automatisch Rassist; dieser Logik liegt eine Verschwörungstheorie zugrunde, die von vorneherein Ausländer zu guten Menschen erklärt, die nichts als Opfer sind, und Brandanschläge auf Asylantenheime automatisch Deutschen anlastet, die generell als faschistisch verseucht gelten.

Als in der Nacht zum 18. Januar 1996 im Lübecker Hafen ein Asylbewerberheim in Flammen aufging und dabei zehn Menschen getötet und 38 schwer verletzt wurden, da wußten es alle sofort: Hier waren Faschos am Werk. An der Spitze von Hunderten von weinenden Lübeckern marschierte der zum linken Flügel der SPD gehörende Bürgermeister Bouteillier zum Brandort; schluchzend sang man "We shall overcome!" und verfluchte die Nazis.

Um so größer war der Schock, als dann einer der Heimbewohner, eben dieser Safwan Eid, festgenommen wurde, weil ein an den Rettungsaktionen beteiligter Sanitäter aussagte, der Libanese habe im Rettungsbus deutlich die Tat zugegeben. Die Polizei fand in seinem Zimmer einen Benzinkanister; die Ermittler stellten fest, es habe zwischen den Heimbewohnern erhebliche Spannungen gegeben, so daß man Eids Tat als Rache wertete.

Angebliche Neonazis haben für die Tatzeit ein Alibi

Sofort taten sich die in der Hansestadt besonders aktiven Autonomen zusammen. Sie wußten es ganz genau: Hier ist eine, wie die taz es formulierte, "gigantische Verschwörung mit dem Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und der Neonaziszene als Beteiligte herausgekommen".

Sie hatten flugs vier aus dem mecklenburgischen Grevesmühlen stammende Jugendliche als "Faschos" ausgemacht. Diese verwahrlosten Jugendlichen trieben sich in jener Nacht tatsächlich in Lübeck herum und sollen in der Nähe des Asylantenheimes gesehen worden sein. Pech für die Beschuldigungen: Zur selben Zeit, zu der das Feuer ausbrach, waren die vier angeblichen Neonazis sechs Kilometer entfernt an einer Tankstelle streifefahrenden Polizisten aufgefallen. So wurden die Ermittlungen gegen die Mecklenburger eingestellt, was den Zorn der Linksextremen hervorrief.

Der Verdacht gegen den Libanesen verstärkte sich, als man feststellte, daß Eid seinen Schlafanzug vernichtet hatte, nachdem er im Krankenhaus versorgt worden war. Er war auch nicht im Krankenhaus geblieben, sondern hatte sich schleunigst von einem Familienmitglied abholen lassen. Nach Ermittlungen der Polizei soll Eid mit Hilfe von Brandbeschleunigern das Feuer im ersten Stock des Asylantenheimes gelegt haben; er sei dabei von Unbekannten unterstützt worden.

In 60 Verhandlungstagen konnte Eid, der jede Schuld leugnete, die Tat nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Sachverständige widersprachen sich. Der Druck linksextremer Gruppen auf Richter und Staatsanwälte verstärkte sich bis ins Unerträgliche. So wurden "Fahndungsplakate" mit den Bildern der Staatsanwälte im ganzen Land geklebt, denen "Rassismus" vorgeworfen wurde.

Man hätte der Wahrheit näherkommen können – so war es nach dem Freispruch des Angeklagten die Ansicht des Bundesgerichtshofes –, wenn das Gericht in Lübeck auf die auf Tonband aufgenommenen Gespräche des Angeklagten Eid mit Familienangehörigen im Besuchszimmer der Lübecker Haftanstalt zurückgegriffen hätte. In jenem Zimmer empfing Safwan Eid mehrmals Besuch von seinem Vater und seinen Brüdern, wobei man über das Verfahren sprach. Der Lauschangriff war zuvor von einem Amtsrichter genehmigt worden. Trotzdem lehnte das Gericht die Zulassung der Bänder ab, weil es den Haftraum mit einer Wohnung gleichgestellt hatte.

Die linke Szene übt Druck auf die Richter aus

So kam es zur Wiederaufnahme des Verfahrens nunmehr vor dem Kieler Landgericht, nachdem Angehörige von Brandopfern Revision eingelegt hatten. Linksextreme demonstrierten vor den Toren und schwenkten Transparente. "Keine Verfolgung von Opfern rassistischer Anschläge durch Justiz und Medien!" hieß es da.

Die beiden Anwältinnen von Eid, zwei in der linken Szene hochgeschätzte, zweifellos tüchtige Juristinnen, die, wie Prozeßbeobachter bestätigen, alle Kniffe der Prozeßordnung beherrschen und für ihre Mandanten einsetzen, gingen sofort am ersten Tag zum Angriff über und beschuldigten auch das neue Gericht, es wolle zunächst nur Belastendes zusammentragen. Tatsächlich hatte der Vorsitzende angekündigt, zuerst die belastenden Fakten zu behandeln, mit der Begründung, sollte sich im ersten Teil der Verfahrens herausstellen, daß diese belastenden Fakten für einen Schuldspruch nicht ausreichten, dann könne der Prozeß erheblich abgekürzt werden. Unterstützergruppen und Anwältinnen ließen aber deutlich durchblicken, daß sie das wiederum für einen Teil der auf die Verurteilung Eids abzielenden "faschistischen Machenschaften" hielten.

Die Kieler Richter sind nicht zu beneiden: Kommen sie aufgrund etwa der abgehörten Unterhaltungen Eids zu dem Schluß, er sei der Brandstifter, und verurteilen sie ihn deshalb, werden sie hemmungslosen Angriffen der linken Szene ausgesetzt sein, die sie als Handlanger des rassistischen und kapitalistischen Apparates ansehen. Sprechen sie Eid frei, dann wird die große Masse der Bevölkerung daraus ableiten, daß in Deutschland zur Zeit eine sachliche Rechtsprechung gegen ausländische Tatverdächtige nicht möglich ist. Das Verfahren wurde auf den 13. September vertagt.


 
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