© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


Heimat bewahren
von Paul Leonhard

Der PDS bekommt die bundesdeutsche Demokratie ausgezeichnet. Zumindest im Osten der Republik. Hier gelingt es den Postkommunisten immer besser, Protestpotential um sich zu versammeln und in Wählerstimmen umzumünzen. Bei den Bundestagswahlen 1998 gelang es der PDS, erstmals die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen und als Fraktion in den Deutschen Bundestag einzuziehen. In Mecklenburg-Vorpommern ist sie seit vergangenem Jahr sogar an der Landesregierung beteiligt. Nachdem es ihr in Brandenburg gelang, bis auf 2,8 Prozentpunkte an die CDU heranzurücken, buhlt sie auch in dem bisher allein von der SPD regierten Bundesland um eine Regierungsbeteiligung. Die Chancen stehen gut. Nicht nur Ministerin Hildebrandt favorisiert die PDS als Juniorpartner, auch Stolpe erklärt unmißverständlich: "Mein Herz schlägt links." Und in zwei Wochen bläst die Links-Partei zum Sturm auf die christdemokratische Festung Sachsen. Zwar droht der hier seit 1990 allein regierenden CDU keine Gefahr, für die sächsischen Sozialdemokraten könnte die linke Konkurrenz aber tödlich sein. Schließlich ist es der Sachsen-SPD nicht gelungen, sich überzeugend von der linken Konkurrenz abzugrenzen. Immer wieder schwanken die Sozialdemokraten zwischen einer Anbiederung bei der Biedenkopf-Regierung oder bei der PDS. Jetzt schickt sich die PDS an, die SPD zu beerben und zweitstärkste Partei im Landtag zu werden. Bereits jetzt empfiehlt der PDS-Landeschef Peter Porsch seine Partei als klare Alternative zum "Konservatismus der SPD". Daß auch die Sozialisten nur mit platten Formeln wie "Sozial ist gerecht" aufwarten, spielt dabei keine Rolle. Wer nimmt sich schon angesichts der wachsenden Perspektivlosigkeit und Politikverdrossenheit Zeit, derartiges zu hinterfragen. Losungen wie "Heimat bewahren" finden überdies Anklang bei rechtsorientierten Jugendlichen.

Den SED-Nachfolgern gelingt es mit Bravour, das Bedürfnis vieler Menschen in den neuen Bundesländern nach Solidarität für sich zu nutzen. Hinzu kommt, daß eine Wählergeneration herangewachsen ist, die die DDR-Realität fast nur noch aus Schulbüchern und den Erzählungen der Eltern kennt. Diese Jugend hat die Arroganz des Westens satt und ist für die scheinbar identitätsstiftenden Ideen der PDS durchaus empfänglich. Hinzu kommt, daß die PDS gerade von den Medien mit viel Sympathie begleitet wird. Während vor rechten Parteien, von der NPD über die DVU bis zu den Republikanern, gewarnt wird und deren Kandidaten im öffentlichen Fernsehen sogar das Wort abgeschnitten wird oder man sie ins Schema dumpfer Schläger drückt, werden Lothar Bisky und Gregor Gysi geradezu verhätschelt.


 
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