© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


Vogelfrei
von Dieter Stein

Man kann zur DVU stehen wie man will. Man kann den Vorsitzenden unsympathisch finden. Man kann das Geschäftsgebaren von Gerhard Frey kritisieren. Wie mit der DVU-Spitzenkandidatin Liane Hesselbarth aber am Wahlabend im Fernsehen und vor dem Landtag umgegangen wurde, ist menschenverachtend. Demonstrativer hätten einige Journalisten und Politiker nicht zeigen können, welche Probleme sie mit der Demokratie haben, sobald angestammte Erbhöfe in Frage gestellt werden und nicht die Wahlergebnisse eintreffen, die man sich erwünscht hat.

So sehr man über die Unbedarftheit der DVU-Kandidaten und ihrer Vorstellungen verblüfft sein kann – die rücksichtslose Verachtung und Rüpelhaftigkeit, mit der Moderatoren und konkurrierende Politiker mit Frau Hesselbarth umgingen, war empörend. Eine halbe Hundertschaft schwarzgekleideter, SEK-Beamten ähnelnder autonomer "Antifas" greift den Potsdamer Landtag an, stürzt CDU-Fahrzeuge um und veranstaltet eine Menschenjagd auf die neugewählten Abgeordneten. Wo ist der aufrechte Landesvater Stolpe und der mutige CDU-General Schönbohm, um sich schützend vor die wehrlose Frau zu stellen? Warum sehen zwei Hundertschaften brandenburgischer Polizei zu, wie die Chaoten die Straße vor dem Landtag verwüsten? War diese Aktion politisch geduldet? Warum verurteilen die anderen Parteien den Einzug der DVU in den Landtag, schweigen aber zu dieser Gewalt und den tätlichen Angriffen auf die Repräsentanten der neuen Landtagsfraktion?

Wollten die übrigen Parteien die DVU politisch überflüssig machen, müßten sie sich einerseits der Sorgen und Nöte derer annehmen, die sie gewählt haben, und diese Wahlentscheidung andererseits auch respektieren. Dazu gehört ein fairer und gleichberechtigter Umgang mit den neuen Parlamentariern. Ansonsten entpuppen sich Stolpe, Schönbohm und andere als die "Politbonzen", als die sie in der DVU-Wahlwerbung so rüde tituliert wurden. Das würde die Wähler nachräglich bestätigen, die diese Partei gewählt haben.

Die DVU-Parlamentarier sind teilweise politisch unbedarfte, gutmeinende, einfältige Bürger, die da in die Parlamente gelangen. Keine Bürokraten, keine Berufsparlamentarier, wie man sie aus anderen Parteien kennt. Es sind Arbeiter, Rentner, Hausfrauen. Menschen wie Du und ich – oder nicht? Im Grunde kann man sich also sogar freuen, daß den ausgebufften Profis nun einfache Bürger auf die "Finger schauen" . Warten wir einmal ab, wem das Volk mehr Respekt entgegenbringt. Auch die Abgeordneten der DVU haben ihre Chance verdient.


 
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