© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


Wahlen: Welche Partei bündelt die von den Etablierten enttäuschten Bürger?
Die gespaltene Rechte
Dieter Stein

Die Wahlen im Saarland und besonders in Brandenburg haben gezeigt, welche kritische Masse die Zahl derer erreicht hat, die sich durch etablierte Parteien, ja durch die parlamentarische Demokratie nicht mehr angesprochen und vertreten fühlen: 45,6 Prozent der Wahlberechtigten blieben in Brandenburg und 31,3 Prozent im Saarland den Urnen fern. Im die Hauptstadt Berlin umschließenden Brandenburg ist der Frust über die politischen Verhältnisse besonders groß: 5,3 Prozent entschieden sich zur Wahl der Protestpartei DVU. Damit ist die DVU (siehe auch die Analyse zu den DVU-Erfolgen auf Seite 6) im dritten Landesparlament – neben Bremen.

Somit gibt es in der Bundesrepublik Deutschland in vier Bundesländern "rechte" Landtagsfraktionen. In Baden-Württemberg sitzen seit 1992, nun schon in der zweiten Legislaturperiode, die Republikaner. Zum Vergleich: Die Grünen sitzen nach mehreren Wahlschlappen noch in zehn, die FDP nur noch in vier Landesparlamenten. Damit zeichnet sich die schrittweise Etablierung eines, wie auch immer repräsentierten, rechten Flügels im Parlament ab.

Erinnern wir uns: Das Aufkommen der Grünen Mitte der siebziger Jahre verlief unter chaotischen und turbulenten Umständen. Manche Medien und Politiker sahen bereits den Untergang der Demokratie nahen. Holger Börner, bulliger SPD-Ministerpräsident von Hessen, wollte gar einst mit Dachlatten gegen die grünen Rüpel unter Führung des Turnschuh-Anarchisten Joschka Fischer vorgehen. Kurz darauf machte er ihn zum Umweltminister. Heute ist Fischer gediegener Außenminister der Berliner Republik.

Wo ist nun der rechte Flügel der deutschen Demokratie? Es läßt sich trefflich darüber streiten, was rechts ist. Unbezweifelbar ist jedoch, daß Repräsentationsdefizite in der Demokratie meist von den Rändern besetzt werden. So wählen in Brandenburg aus ähnlichen Motiven die Mitglieder einer Familie PDS und DVU, weil sie den etablierten Parteien die Vertretung ihrer Interessen nicht mehr zutrauen.

Das rechtswählende Protestpotential ist in Deutschland (noch) gestaltlos. Mehrere Organisationen konkurrieren auf dem freien Markt mit unterschiedlichen Ansätzen und Konzepten, dem Unmut der Bürger eine Stimme zu geben. Das reicht von radikal nationalistischen, etatistischen Parteien (NPD) über nationalkonservative oder freiheitliche Formationen wie Republikaner oder BFB – bis hin zu Union und nationalliberalen Teilen der FDP! Gerade erst ist es der Union in Hessen unter dem Landeschef Roland Koch gelungen, den Protest auf die Mühlen der CDU zu lenken. In Bayern ist die CSU dafür berühmt, den rechten Flügel zum integralen Bestandteil ihrer Identität zu machen. In Sachsen vereint Kurt Biedenkopf unter den breiten Schößen seines Rocks als Landesvater fast alle Schäfchen seines Landes.

Die Herausbildung eines parlamentarischen rechten Flügels wird von der Schwäche der Union begünstigt, bestimmte "harte" Themen zu besetzen, die Interessen der Bürger in zentralen Lebensfragen zu vertreten und ihre Sorgen zu artikulieren. Als da wären: innere Sicherheit, Einwanderung, Schule und Bildung, soziale und wirtschaftliche Zukunftssicherung für das eigene Land und Volk. Immer dann, wenn die Union zum Teil einer anonymen staatlichen Bürokratie wird und nicht mehr als Interessenhüter des Volkes wahrgenommen wird, wenden sich die Menschen ab. Dasselbe gilt auch für die SPD, der es unter Schröder letztes Jahr gelang, durch Nationalpopulismus rechte Wähler zu binden. Protestwahl und Wahlenthaltung haben mit einer angeblichen Radikalisierung der Bürger also nichts zu tun. Vielmehr liegt dies in erster Linie an der Entfernung der Politiker vom Volk: denjenigen, die ihnen ihre Stimme leihen.

Wer wird nun aber die Stimmen derer dauerhaft bündeln, die sich nicht mehr repräsentiert fühlen? Die DVU? Die Republikaner? Oder andere? Wird sich ein rechter Flügel nun dauerhaft in den Parlamenten etablieren? Wenn ja, unter welchem Namen geschieht dies? Oder gelingt der Union wie in den siebziger Jahren in der Opposition die Reintegration?

Parlamentarisch gibt es "die" Rechte nicht. Sie ist gespalten. Ob es so bleibt, werden die nächsten Wahlen zeigen. Das Parteinsystem ist in Bewegung.


 
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