© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/99 03. September 1999


Landtagswahlen: Die rot-grüne Regierung gerät unter großen Druck
Die schwarze Wende
Dieter Stein

Stellen Sie sich vor, es sind Wahlen in Bayern und die CSU verliert die Macht. Undenkbar, nicht wahr? Ebenso undenkbar ist es bislang gewesen, daß sich etwas an den politischen Verhältnissen im Land Nordrhein-Westfalen ändert. Das Ruhrgebiet – fest in der Hand der Genossen, seit Generationen – droht bei den Kommunalwahlen am 12. September in mehreren Städten den SPD-Bürgermeistern den Stuhl vor die Tür zu setzen. Eine Kette von Skandalen erschüttert die SPD im bevölkerungsreichsten Bundesland, hinzu kommt ein Bundestrend, der die SPD zusätzlich bremst.

Bei den Landtagswahlen in Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Saarland und den NRW-Kommunalwahlen kündigt sich indes insgesamt ein Erdrutschsieg der Unions-Parteien und ein dramatischer Einflußverlust für die Sozialdemokraten an. Abgesehen von durch Skandalen ausgelösten Irritationen und den mit Ablehnung aufgenommenen Sparappellen des Bundesfinanzministers ist es eine normale Pendelbewegung, die wir erleben. Schließlich hat die SPD in den vergangenen zwölf Monaten wichtige Schlüsselpositionen besetzt: Bundesregierung, Bundespräsident und eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Konsequenterweise wünschen sich die Bürger nun eine starke Opposition in den Ländern und wandern zu anderen Parteien.

l Im Saarland (Wahltermin 5. September) hatte die SPD schon 1994 mit 49,4 Prozent der Stimmen lediglich die absolute Mehrheit der Mandate sichern können. Derzeit liegen Union und SPD gleichauf. Scheitern FDP (sicher) und Grüne (eventuell) an der Fünf-Prozent-Hürde, könnte der CDU-Kandidat Müller Ministerpräsident werden. Damit wäre das bis in die 70er Jahre von der CDU regierte Land zurückerobert.

l In Brandenburg (Wahltermin 5. September) ist die SPD (1994: 54,1 %) vom Verlust der absoluten Mehrheit bedroht. Offen ist, wen die DVU mehr Stimmen kostet: Stolpe oder Schönbohm von der CDU, der zuletzt für seine Partei bei Umfragen bei fast 30 Prozent lag, nun aber wieder abgefallen ist. Bei einer Großen Koalition wäre Brandenburg für den Bundesrat neutralisiert. Die SPD-Mehrheit bröckelt weiter.

l In Thüringen (Wahltermin 12. September) dürfte sich der rot-rote Traum des SPD-Spitzenkandidaten Dewes nicht erfüllen. Es bleibt bei der großen Koalition, die CDU dürfte gestärkt aus der Wahl hervorgehen.

l Bei den NRW-Kommunalwahlen (Wahltermin 12. September) kündigt sich ein Erdrutsch-Sieg der Union an. Mehrere wichtige Großstädte (Köln, Dortmund, Essen, Bielefeld, Münster) werden wohl für die SPD verlorengehen. CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers hofft den Schwung für die Landtagswahl am 14. Mai 2000 zu nutzen, bei der es gilt, die jahrzehntelange Herrschaft der SPD auf Landesebene zu brechen. Ausschlaggebend für Veränderungen bei den Kommunalwahlen ist auch die erstmals weggefallene Fünf-Prozent-Hürde, so daß mit dem Einziehen der Republikaner und der PDS in einigen Kommunen zu rechnen ist. Die erstmalige Direktwahl der Stadtoberhäupter wird zu einer Stärkung der politischen Persönlichkeit und einer Begrenzung des Parteienstaats führen.

l In Sachsen (Wahltermin 19. September) wird die CDU-Herrschaft in bayerischem Format (50 Prozent plus x) unter Landesvater Kurt Biedenkopf erhalten bleiben. Nach Kohlscher Manier setzt er die Sachsen noch zusätzlich unter Druck, indem er seinen Rückzug aus der Politik für 2004 angekündigt hat. Die SPD wird weiter verlieren (1994 lag sie bei 16,6 Prozent) und wohl von der PDS überholt werden. In Sachsen ist mit einem starken Abschneiden kleiner rechter Parteien zu rechnen, wenn auch keine den Sprung in den Landtag schaffen dürfte.

l Berlin (Wahltermin 10. Oktober) wird mit einer deutlich gestärkten CDU die Große Koalition erhalten bleiben. Ex-Bürgermeister Walter Momper ist es nicht gelungen, die SPD aus dem 20-Prozent-Getto zu führen. Offen ist, welche Rolle die kleinen Parteien spielen werden.

Ein Ergebnis wird man schon jetzt sehen können: Erbhöfe und Milieus lösen sich in Deutschland weiter auf. Die großen Parteien können sich immer weniger darauf verlassen, "Stammländer" ihr eigen nennen zu können. So sind die Parteien gezwungen, sich den Menschen wieder stärker anzunähern.


 
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