© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/99 27. August 1999


Verfassungsgericht: Erfolglose Beschwerden gegen das Mauergrundstücksgesetz / Gesetz ist nicht völkerrechtswidrig
"Die Errichtung der Mauer war ein zulässiger Zweck"
Jörg Fischer

Fünf frühere Eigentümer oder Erben von Berliner Mauergrundstücken sind mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das 1996 in Kraft getretene Mauergrundstücksgesetz gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht befand einstimmig in einer am 17. August dieses Jahres veröffentlichten Entscheidung (Az. 1 BvR 1892/96), die Verfassungsbeschwerden gegen die Rückkaufregelung hätten keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Sie hätten auch keine Aussicht auf Erfolg, da die Alteigentümer nur dargelegt hätten, daß die von der DDR 1961 durchgeführten Enteignungen der fraglichen Grundstücke völkerrechtswidrig gewesen seien, nicht aber auch dargetan haben, daß für die im Mauergrundstücksgesetz getroffene Wiedergutmachungsregelung das gleiche zutrifft. Aufgrund dieser Regelung gingen die betroffenen Liegenschaften nach der Wiedervereinigung ins Eigentum des Bundes über.

Laut § 2 des Mauergrundstücksgesetzes können Berechtigte ihre früheren, jetzt bundeseigenen Mauer- und Grenzgrundstücke zu 25 Prozent des Verkehrswertes zurückkaufen. "Wenn die sofortige Entrichtung des Kaufpreises für den Käufer mit einer erheblichen Härte verbunden ist, kann der Kaufpreis gegen eine Verzinsung von 4 Prozent gestundet werden", heißt es weiter.

Nach § 3 kann der Bund einen Rückerwerb ablehnen, wenn er "ein Grundstück für dringende eigene öffentliche Zwecke verwenden oder im öffentlichen Interesse an Dritte veräußern" will. In diesen Fällen besteht dann ein Anspruch auf Zahlung von 75 Prozent des Verkehrswerts des Grundstückes. "Sind ehemals bundeseigene Mauer- und Grenzgrundstücke nach dem 15. Februar 1992 und vor Inkrafttreten dieses Gesetzes an Dritte veräußert worden", haben die Betroffenen einen Anspruch auf Zahlung von 75 Prozent des Veräußerungserlöses. In den Fällen einer Veräußerung zwischen dem 3. Oktober 1990 und dem 15. Februar 1992 wird nur in "Härtefällen" eine entsprechende Entschädigung fällig. Weshalb dies gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne des Artikel 25 Grundgesetz verstoßen soll, sei nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht dargelegt worden.

Auch die hilfsweise erhobene Rüge, das Mauergrundstücksgesetz verletze die Eigentumsgarantie, weil es keine Regelungen über eine Rückenteignung enthalte, sei unbegründet. Unter Bezug auf einen Beschluß des Ersten Senats vom 9. Dezember 1997 wird ausgeführt, daß Artikel 14 Grundgesetz keinen Rückübertragungsanspruch für Fälle begründet, in denen die DDR auf Grundstücke zugegriffen hat. Ein solcher Anspruch könne nur entstehen, wenn zum Zeitpunkt der Enteignung das Grundgesetz galt. Das war nach Meinung der Verfassungsrichter nicht der Fall: "Der Geltungsbereich des Grundgesetzes erstreckte sich nicht auf das Gebiet der DDR, und das Grundgesetz ist für dieses Gebiet auch nicht rückwirkend in Kraft getreten."

Unbeantwortet ließ das Gericht die Frage, ob die Betroffenen in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt wurden. Das wäre dann der Fall, wenn die Enteignungen nach dem Verteidigungsgesetz der DDR von 1961 unwirksam sind und die Betroffenen ihre Grundstücke daher niemals verloren haben. Das zu klären sei aber zunächst Sache der "dafür zuständigen allgemeinen Gerichte und nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes". Der Rechtsstreit bleibt damit weiterhin offen.

Die Beschwerdeführer standen mit ihrer Aufassung zunächst nicht allein da. Die Opposition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unterstützte zunächst, im Gegensatz zur damaligen Bundesregierung, die Alteigentümer voll und ganz.

Im Dezember 1994 hatte auch der Bundesrat auf Initiative des Berliner Senats einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Rückgabe der Mauergrundstücke an die Enteigneten ohne Wenn und Aber beinhaltete. Zur Begründung hieß es damals: "Wenn der Staat diese Grundstücke nicht zurückgibt, setzt er sich dem Vorwurf aus, daß er sich an Unrecht bereichert hat."

Doch dieser Gesetzentwurf scheiterte an der damaligen unionsgeführten Bundesregierung und der Mehrheit des Bundestages. Auch die Berliner Bundestagsabgeordneten stimmten zu, lediglich der Osnabrücker Unionsabgeordnete Reinhard Freiherr von Schorlemmer unterstützte zusammen mit SPD und Grünen die Enteigneten. Statt dessen wurde im Sommer 1996 das jetzt gültige Mauergrundstücksgesetz beschlossen.

Das Berliner Abgeordnetenhaus gab jedoch nicht auf und forderte auf seiner 30. Sitzung vom 12. Juni 1997, die Verfassungsmäßigkeit des Mauergrundstücksgesetzes im Wege einer Normenkontrollklage in Karlsruhe prüfen zu lassen und "das Anliegen der Beschwerdeführer zu unterstützen".

Am 26. Oktober 1998, einen Tag vor der Übergabe der Amtsgeschäfte an die neue rot-grüne Regierung, ließ das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in Berlin-Mitte jedoch Anträge von Alteigentümern auf Rückgabe ablehnen. "Die Errichtung der Berliner Mauer nach dem Verteidigungsgesetz der DDR ist ein zulässiger Zweck für die Enteignungen der Grenzgrundstücke gewesen", heißt es im Ablehnungsbescheid. Obwohl im § 9 der Grenzordnung der DDR von 1982 steht: "Grundstücke, die nicht mehr für Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze benötigt werden, sind an die Eigentümer zu übertragen" komme für das Amt eine Rückgabe nicht in Frage. Bis zum 31. Januar 1997 habe zudem die Möglichkeit bestanden, den Neukauf der Grundstücke zu beantragen, heißt es abschließend lapidar in dem Bescheid.


 
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