© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/99 27. August 1999


Sachsen: Interview mit dem Nationalliberalen Ludwig Martin Rade
"Davon träumen andere"
Philip Plickert

Herr Rade, die FDP steckt in einer schweren Krise. Sie ist nur noch in vier Landtagen vertreten, die kommunale Verankerung ist dahingeschmolzen.

Rade: In Sachsen sind wir noch existent: Wir bewegen uns zur Zeit bei etwa 3.800 Mitgliedern, davon rund 80 Bürgermeister. Bei den Kommunalwahlen im Juni 1999 hat die FDP Sachsen einen Landesdurchschnitt von 5,1 Prozent erhalten. Wir sind mit 82 Kreisräten vertreten und konnten zusätzlich über 300 kommunale Mandate erringen. Davon träumen westdeutsche Landesverbände.

Aber auf Bundesebene sieht es düster aus. Es hat den Anschein, als übernähmen sowohl CDU als auch SPD und Grüne Teile des FDP-Programmes. Alles drängt in die imaginäre "Mitte".

Rade: Das sehe ich keinesfalls. Herr Schröder hat für sein Wirtschaftspapier zwar aus unserem Wahlprogramm abgeschrieben, aber die Widerstände in seiner Partei sind doch sehr groß. Ich habe größte Zweifel, ob es ihm gelingt, dafür eine Mehrheit in seiner Partei zu finden.

Die Grünen sind auf dem Weg, die FDP als linksliberale Partei zu beerben. Wann erinnert sich die FDP ihrer national-liberalen Wurzeln?

Rade: Die sächsische FDP hat damit keine Probleme. Unser liberaler Vordenker Wilhelm Külz hat kurz nach dem Krieg den Ausspruch getätigt: "Liberal im Denken, sozial im Handeln und deutsch im Fühlen". Bei einem unserer letzten Parteitage hatten wir das ganz oben auf dem Podium stehen.

Was verstehen Sie unter "national"?

Rade: Das Bekenntnis zur deutschen Identität.

Braucht die FDP eine grundsätzliche Neuorientierung?

Rade: Die unklare Haltung der FDP zu Fragen der inneren Sicherheit, der Asylgesetzgebung usw. ist uns in den letzten Jahren massiv auf die Füße gefallen.

In Österreich haben die Freiheitlichen mit Jörg Haider einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Warum verbietet sich die FDP denn jeden Kontakt mit der FPÖ?

Rade: Als wir von 1990 bis 1994 noch im sächsischen Landtag saßen, hatten wir häufige Kontakte mit den Vertretern der FPÖ. Wir haben uns gegenseitig besucht, da gab es keine Berührungsängste. Mein Grundsatz ist, daß eine Partei, die Liberalität und Toleranz für sich in Anspruch nimmt, diese Ideale auch umsetzen muß. Ich verurteile niemanden, der eine andere Meinung hat. Er muß halt für seine Mehrheit kämpfen. 1992 beispielsweise war die FDP Sachsen einer der ersten Landesverbände, der klare Kriterien für den großen Lauschangriff formuliert hat. Da wurde ich auf dem Bundesparteitag massiv angegriffen und in die "rechte Ecke" gestellt, ich nenne nur Namen wie Hirsch und Leutheusser. Fünf Jahre später hat der Mitgliederentscheid uns bestätigt.

In Sachsen fordert die FDP beim Thema "innere Sicherheit" und Bekämpfung der Kriminalität also eine härtere Gangart?

Rade: "Härtere Gangart" im Prinzip nicht. Wir fordern nur die Umsetzung der CDU-Ankündigung. Heinz Eggert als damaliger Innenminister hatte 1994 eine Personalstärke von 15.000 für die Polizei angestrebt. Heute haben wir 12.500, da fehlen also noch 2.500 Mann. Die CDU sagt, die Kriminalitätsstatistik zeige nach unten, die Aufklärungsquote steige. Aber sie können den Bürger nicht mit Statistiken davon überzeugen, daß er sich morgen sicher fühlen muß. Die Polizei gehört auf die Straße, um dem Bürger das Sicherheitsgefühl zurückzugeben, das ihm verloren gegangen ist.

Und Ihre Forderungen zum Strafvollzug?

Rade: Wenn die Verhältnisse klar sind, dann muß verurteilt werden, und die Gerichte dürfen nicht erst noch drei Jahre warten. Die Verfahren müssen also beschleunigt werden. Und Strafe muß Strafe sein, und das Gefängnis kein "FDGB-Heim ohne Klinke". Keine weitere Liberalisierung mit elektronischen Fesseln usw.

Und wie haben die westdeutschen Landesverbände auf diese neuen Töne aus Sachsen reagiert?

Rade: Mir ist bis jetzt noch kein kalter Wind ins Gesicht geweht.

Thema Einwanderung: Die FDP fordert seit langem ein "Einwanderungsgesetz". Und ohne die Zustimmung der sozial-liberalen Regierung von Rheinland-Pfalz im Bundesrat hätte es kein Doppelpaß-Gesetz gegeben.

Rade: Die Sachsen haben eine ganz klare Beschlußlage: Wir lehnen die doppelte Staatsbürgerschaft in jeder Form ab. Leider dachte die Mehrheit der Partei nicht so. Zum Thema "Einwanderungsgesetz" kann ich nur sagen, daß ich als Vorsitzender der parlamentarischen Arbeitsgemeinschaft über Jahre die Bundestagsfraktion bekniet habe, es "Einwanderungs-Begrenzungsgesetz" zu nennen!

 

Ludwig Martin Rade, 1939 in Dresden geboren, war von 1990 bis 1994 Mitglied des Sächsischen Landtages, zuletzt FDP-Fraktionsvorsitzender. Von 1991 bis 1995 gehörte er dem Bundesvorstand seiner Partei an. Er ist Mitglied im sächsischen Landesvorstand und innenpolitischer Sprecher der FDP.


 
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