© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/99 27. August 1999


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Beratungsbedarf
Karl Heinzen

Auf die Herrschaft des Rechts kann man vertrauen, solange sie mit den Machtverhältnissen in Einklang steht. Dieses zeitlose Ordnungsprinzip der bürgerlichen Demokratie darf gerade dann nicht außer acht gelassen werden, wenn es darum geht, moralische Schuld zu beziffern, zu verzinsen, und – den deutschen Sonderfall einmal ausgeklammert – auch abzutragen.

Die Forderungen der "African World Reparations and Repatriation Truth Commission" jedoch scheinen diesbezüglich den Rahmen der Vernunft zu sprengen: 777 Billionen US-Dollar, so die Vorstellung dieser im Auftrag afrikanischer Staaten auftretenden Institution, sollen die Industrieländer in den nächsten fünf Jahren aufbringen, um den schwarzen Kontinent dafür zu entschädigen, daß man zwischen 1450 und 1850 ungefähr zwölf Millionen seiner Mitbürger in die Sklaverei verschleppt hat. Den Betrag will man mit Sammelklagen gegen die USA, die Europäische Union und auch gegen karibische und lateinamerikanische Staaten eintreiben. "Wir sind weltweit die einzige Gruppe, die bislang noch keine Entschädigungszahlungen erhalten hat": Diese Argumentation spricht jedoch eher gegen als für die Aussichten afrikanischer Ansprüche. Die internationale Rechtsordnung verfolgt einen Zweck, und diesen darf sie nicht verfehlen.

Dabei wird den Afrikanern in der Sache schwer zu widersprechen sein, und es wäre sicher auch beckmesserisch, es bei der Ermittlung, wer denn nun Anspruchsberechtigter und wer Anspruchsgegner sein kann, allzu genau zu nehmen. Man sollte es sogar als ein Signal der Verständigungsbereitschaft werten, daß der Begriff der Sklaverei sehr eng gefaßt wird. Wer nicht mit Gewalt verschleppt, sondern bloß vom Wohlstand gelockt wurde, soll offenbar leer ausgehen. Die erniedrigenden Arbeitsverhältnisse, in denen Schwarze in der weißen Welt mehr schlecht als recht überleben, werden damit als freiwillige sanktioniert. Ohne Not entläßt man die Europäer und Amerikaner sogar aus der Verantwortung für die politische Instabilität Afrikas und die mit dieser einhergehenden Flüchtlinge.

Die Forderungen des schwarzen Kontinents an die zahlungskräftige Welt hätten also schnell noch ganz andere Dimensionen annehmen können. Und doch zeigte sich in ihnen ein eklatanter Mangel an Fingerspitzengefühl: Wer Entschädigungen für erlittenes Unrecht verlangt, muß sich wie die Eintreiber von Steuern und anderen, nicht legalen Schutzgeldern überlegen, was er fordern kann, ohne seine Einnahmequelle, aus der er sich ja auch morgen noch bedienen möchte, zum Versiegen zu bringen. Als hätte es gegolten, die Vorurteile gegenüber Afrika zu bestätigen, wurde dieses so oft vorexerzierte Kalkül in den Wind geschlagen und zudem die Reihenfolge der Bevorrechtigten nicht anerkannt. Entschädigungs-Knowhow ist aber handelbar, das Thema ist also nicht vom Tisch. Mehr als ein Schuldenerlaß sollte dabei schon herauskommen können.


 
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