© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/99 20. August 1999


Aufführungen: "Tristan und Isolde", "Der Holländer", "Meistersinger"
Einfälle der besonderen Art
Werner Dremel

Tristan und Isolde ist das wirkliche Nachtstück des Meisters. Der Topos, die unaussprechliche, endlose Liebe, die – gleichzeitig schuldlos schuldig - zur übergroßen Schuld wird – wird sie das wirklich? – verträgt keine Helligkeit, kein Tageslicht. H. Müllers Regie läßt zwischen den Akteuren allgemein, besonders aber zwischen dem Titelpaar, eine Spannung der unausgesprochenen, inneren Bezüge aufkommen, die großes Theater ist.

Die größte Stärke des Bühnenbildes ist, wie so oft in Bayreuth, die Lichtregie (M. Voss) als durchgehendes Gestaltungsprinzip. Entsprechend dem Geschehen – Erwartung, Liebe, Verrat, Tod – wechseln die Farben der großen Lichtquadrate, die auch den Bewegungsraum abstecken, über braun, blau, violett, rot, grau, gold (beim Liebestod). Klangwunder und Lichtwunder Bayreuth!

Der Holländer (Regie D. Dorn, Bühnenbild J. Rose) besticht durch seine unglaubliche Farbigkeit. In Heinrich Heines schauriger Erzählung winden sich unheimliche Kriechwesen – die Geistermannschaft des Holländers – an Land, unter die Menge und in Dalands Haus – ein Regieeinfall der besonderen Art!

Die strahlende, gelb- rot- blaue Farbigkeit der Schiffe und Häuser weicht im letzten Bild einem Hell-Dunkel-Scherenschnitt: Sentas Tod und Verklärung – in einer anderen Welt reicht sie dem Unerlösten die Hand zur Erlösung. Die ganze Inszenierung, Bühnenbild wie Regie, besticht durch Geschlossenheit und Ästhetik – eine der großen Realisierungen der Werkstatt Bayreuth.

Wolfgang Wagners Meistersinger-Inszenierung führt uns in das Nürnberg des beginnenden 16. Jahrhunderts: einerseits noch eine geschlossene, mittelalterliche Welt der Meister und ihrer Zünfte, andererseits durch Renaissance, Reformation, geographische Entdeckungen weltoffen geworden wie Venedig, Genua, Florenz. Diese endgültige "runde" Welt – Abschied von der Vorstellung der Erde als Scheibe – nimmt der Regisseur unübersehbar in sein Bühnenbild hinein, sie ist der Hintergrund, vor dem sich alles abspielt. Die einzelnen Szenerien sind wohltuend einfach und aussagekräftig: ein Stück Alt-Nürnberg mit Märchenmond, die lichterfüllte Schusterstube des Hans Sachs, eine farbig-fröhliche Festwiese.


 
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