© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/99 20. August 1999


Neues Deutschland: NPD-Promi als Autor
Hinterm Mond
Frank Philip

Irgendwo beim Neuen Deutschland muß eine undichte Stelle sein. Es war Sommer 1998, als erstmals die interne Zensur versagte: Im Rahmen der Debatte "Wie national kann die Linke sein?" kam es, daß mit Roland Wehl ein Autor der JUNGEN FREIHEIT auf den Seiten der altehrwürdigen "sozialistischen Tageszeitung, gegründet 1946" veröffentlichen konnte. Damals kam die ND-Redaktion mit einem blauen Auge davon, nur Angela Marquardt kündigte beleidigt ihr Abo. Doch dieses Mal kam es ganz dicke!

In weinerlichem Ton bekennt Hans-Dieter Schütt, da sei man jemandem "auf den Leim gegangen", doch das Recht auf freie Meinungsäußerung, dem das Neue Deutschland sich verpflichtet fühle, schließe aus, daß man sich "immer erst ein Bild macht von der politischen Vita des Manuskript-Einsenders". Hans-Dieter Schütt, ehemals Chef des FDJ-Blattes Junge Welt, mag man es noch verzeihen, schließlich ist er erst seit kurzem beim ND. Aber die anderen müßten ihn doch kennen, den "Manuskript-Einsender" Michael Nier. Dieser hatte Anfang August an prominenter Stelle im ND ein Buch von Volker Biek, erschienen in der rechten Verlagsgesellschaft Berg (VGB) rezensiert. Tenor: gelungene "kapitalistische Kapitalismuskritik" und zukunftsweisendes Plädoyer für eine "Reorganisation der Volkswirtschaft nach den Erfahrungen des deutschen sozialen Entwicklungsstaates". Der abgewickelte Marxismus-Leninismus-Professor Nier war zu SED-Zeiten gerngesehener Gastautor, bis er – bitte festhalten – zu den "Bösen" überlief, genauer gesagt zur NPD. In seiner Eigenschaft als NPD-Landtagskandidat in Mittweia bei Chemnitz konnten ihn Focus-Leser erst kürzlich abgebildet sehen.

Vielleicht sollten die Verantwortlichen im Neuen Deutschland öfter mal das Klassengegner-Magazin Focus lesen, dann wäre ihnen die Reue erspart geblieben darüber, daß ihr Buchrezensent Nier seit Jahren Mitwirkender beim NPD-Arbeitskreis Wirtschaftspolitik mit Namen "Nationale Sozialisten" ist. Oder vielleicht sollte Schütt öfter mal die PDS-Genossen fragen: Der Abgeordnete Matthias Gärtner aus Sachsen-Anhalt hatte sich gegenüber der Jungen Welt schon im August 1998 über einen Leserbrief Niers zur "volksfeindlichen Politik des transnationalen Kapitals" im ND aufgeregt. Oder vielleicht sollte Schütt mal über den Tellerrand schauen und die Kollegen vom "Komitee der Vierten Internationale/Deutsche Sektion" fragen. Die wissen schon lange, daß Nier seit Jahren Autor der in Coburg erscheinenden rechten Monatszeitschrift Nation & Europa ist.

Aber möglich ist es auch, daß der Abdruck von Niers kapitalismuskritischem Text gar nicht so versehentlich geschah. Sozialistische Thesen mit nationalen Parolen auszufüttern, war immer beliebt bei deutschen Kommunisten. Und kündigte nicht Gregor Gysi zur Verwunderung der "Die-Linke-ist-antinational- oder-sie-ist-nicht"-Fraktion an, die PDS wolle nun auch um "rechtsexteme" Wähler kämpfen – natürlich im Sinne der guten Sache?


 
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