© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/99 13. August 1999


Damenverbindungen: Auch weibliche Studenten fördern Verbindungsbrauchtum
Trinken nie als Selbstzweck
Ralf Fritzsche

"Silentium für den Einmarsch der Chargierten!", ein Spruch, der jedem Korporierten geläufig ist, wenn eine hochoffizielle Veranstaltung beginnt. Doch nicht etwa mit bierseligen oder schlagenden, christlichen oder national ausgerichteten Männerbünden haben wir es hier zu tun. Diese zeremonielle Veranstaltung wurde von einer weiblichen Damenverbindung abgehalten.

Es ist nicht neu, daß in einer solchen Männerdomäne sich auch weibliche Organisationen zu Wort melden, wenn auch die Frauen in Deutschland erst um die Jahrhundertwende in größerem Maße die Möglichkeit erlangten, ordentlich zu studieren. Als erste Universitäten ließen Freiburg und Heidelberg Frauen als vollberechtigte Studentinnen zu. Im Wintersemester 1908/09 gab es bereits 1.132 und im Sommer 1914 schon 3.876 Studentinnen. Der erste fest geschlossene Studentinnenverein erblickt 1899 in Bonn das Licht der Welt: die "Hilaritas".

Vom 16. bis 18. Juli 1999 hatte (M)man(n) dann tatsächlich Gelegenheit, beim 10. Damenverbindungstreffen in Berlin mehrere weibliche Verbindungen aus ganz Deutschland und Österreich kennenzulernen. Um herauszubekommen, was diese weiblichen Korporationen von ihren männlichen Gegenstücken unterscheidet bzw. was sie mit ihnen gemeinsam haben, setzte ich mich mit einer der anwesenden Verbindungen, der Akademischen Damenverbindung "Helenia Monasteria" zu Münster, in Kontakt.

Am 20. Januar 1988 gründeten zwei Studentinnen in Münster die "Helenia". Leitsätze dieser Verbindung wurden Freundschaft, Offenheit, Herzlichkeit und Wissenschaft. "Diese Prinzipien sollen verwirklicht werden durch die Begründung und Pflege echter Freundschaft über das Studium hinaus, durch eine tolerante Auseinandersetzung mit anderen Meinungen und Überzeugungen, durch ein rücksichtsvolles Miteinanderleben und durch eine über das Fachwissen hinausreichende Bildung."

Die Struktur ist ähnlich wie bei den meisten Männerverbindungen: Die Mitglieder beginnen bei ihrem Eintritt als "Füxe", welche noch nicht vollberechtigt sind – daher zum Beispiel bei Personalfragen nicht mitentscheiden dürfen – und in der Regel zwei Semester als Probezeit absolvieren. Zur vollberechtigten "Dame" wird der Fux dann erst nach einer Prüfung, in der Fragen über die eigene Verbindung, das Korporationswesen allgemein und über die Stadt Münster beantwortet werden müssen. Nach der Studienzeit wechselt die Dame in die "Hohe Damenschaft" und bleibt zumeist ein Leben lang Mitglied des Vereins, um eine Verbindung zwischen jung und alt herzustellen und zu bewahren.

"Die Damenverbindungen haben sich oft aufgrund des Vorbildes eines Männerbundes gegründet und dann auch vieles übernommen, eben das, was man dort gesehen hat", wird mir erklärt, jedoch auch die Tatsache, daß "viele sich dann auch weiterentwickelt und einen eigenen Charakter angenommen haben". Viele Männerverbindungen würden sich zum Beispiel bei der Helenia wiedererkennen, um im nächsten Augenblick festzustellen, daß alles ganz anders läuft.

Aus diversen Vorbildern resultieren dann auch die Unterschiede zwischen den Damenverbindungen, wie ich in Erfahrung bringe. Einige, wie zum Beispiel die Helenia, sind "fakultativ farbentragend", andere müssen farbige Bänder zu Verbindungsveranstaltungen pflichtmäßig tragen. Einige haben Mützen (Kopfcouleur), andere nicht. Doch das tut dem gegenseitigen Einvernehmen keinen Abbruch. "Im Grunde ist es eine Sache des Charakters. Wenn man sich mit einer Person gut versteht, dann ist auch der Bund nicht so wichtig, dem diese Person angehört, auch wenn es sicherlich grundsätzlich Damenverbindungen gibt, die einem näher liegen als andere." Schon deshalb werden unter den Damenverbindungen nicht so gravierende Unterscheidungen gemacht, da eine Unterteilung in diverse Dachverbände, wie sie bei den männlichen Verbindungen üblich ist, nicht existiert.

Von den etwa 25 im deutschsprachigen Raum aktiven Damenverbindungen gründete daher ein Teil an diesem Wochenende einen "Verein der Studentinnenverbindungen", der sowohl die Zusammenarbeit untereinander als auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit fördern soll.

Die etwa 20 Frauen starke Truppe der Helenia hat genau wie die männlichen Bünde einen Kanon an Veranstaltungen, zu dem unter anderem Vorträge, Bildungsfahrten und gesellschaftliches Beisammensein in allen Variationen gehört. Auf meine etwas ironische Frage, ob die Münsteraner Damen viel trinken, geben sie zu, daß "schon einmal etwas mehr getrunken wird, wenn man zusammensitzt", doch arte es nie in Selbstzweck aus. Auch das Gerücht, daß es schlagende Damenverbindungen gäbe, wird definitiv verneint.

"Was ist überhaupt der Grund für Frauen, in eine Damenverbindung einzutreten?" möchte ich wissen. Neugier scheint hier wie so oft im Leben ein nicht zu unterschätzender Faktor zu sein. "Viele Frauen denken sich: Was sind denn das für Frauen? Haben die das nötig?", wie mir eine Dame der Helenia verrät. Manche Damen seien auch "erblich belastet", da schon der Vater in einer Verbindung war. Auch Freunde oder Freundinnen, die schon in einer Verbindung seien, wirkten oft als "Zugpferde".

Die Verbindungen zu Männerbünden seien unterschiedlich. Es komme halt darauf an, daß man sich gegenseitig akzeptiert. In Münster seien die Beziehungen mit den katholischen Verbindungen sehr gut, während im Süden die Damen durchaus mehr Kontakt zu den schlagenden Bünden suchen würden. Doch ließe sich das nicht pauschalisieren. "Hauptsache ist, daß die Beziehungen immer besser werden", erklärt mir eine "Helenin".

Auf meine Frage, ob es auch Damenverbindungen gibt, die politisch oder religiös ausgerichtet sind, erhalte ich von dem "überkonfessionellen und parteipolitisch unabhängigen Bund" die Antwort, daß es sie gibt, aber nicht in Deutschland.

"Also in Österreich?" frage ich.

Und in der Tat erfahre ich, daß es in Österreich Damenverbindungen mit nationalem Gedankengut gibt. Religiös seien sie aber nirgends ausgerichtet. "Wir sind nach allen Seiten offen", wie mir beteuert wird. Auch Protektion bei der späteren Berufswahl gibt es bei der Helenia nicht.

In den Universitätsstädten sind Damenverbindungen allerdings selten gehäuft anzutreffen. Die einzige Stadt, die mehr als eine Damenverbindung aufweist, ist Würzburg mit drei Damenkorporationen. Als ich zum Schluß nach einer lustigen Anekdote frage, antwortet die Sprecherin der Helenia: "Ich könnte viele erzählen. Aber ich laß es lieber."


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen