© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/99 13. August 1999


Zitate

"Auch in den internationalen Beziehungen leidet Deutschland unter dem Täter-Reflex. Während die anderen europäischen Staaten die EU als Instrument für die Fortsetzung ihrer nationalen Interessen in einer anderen Form verstehen, sieht Deutschland darin eine Aufhebung der nationalen zugunsten der angeblich europäischen Interessen. Die altruistische Einstellung hat zur Folge, daß Deutschland selbst seinen Partnern ideologische Argumente für die eigene Ausbeutung liefert: Zu bereitwillig werden in Frankreich und England antideutsche Klischees eingesetzt, wenn es darum geht, die "deutschen Interessen" in ihre Schranken zu verweisen. Das läuft nach dem Motto: Wenn die Deutschen sich plötzlich um ihre nationalen Interessen kümmern, erwachen in ihnen die Nazis. (…) Allerdings kann man nationale Interessen kaum überzeugend vertreten, wenn man die Nation ex negativo als Tätergemeinschaft versteht und sich selbst der Zugehörigkeit zu ihr schämt."

Sonja Margolina in der Zeitschrift "Merkur", Heft 8, August 1999

 

 

"Die westdeutsche Staatsräson beruht eben nicht auf dem ‘guten Volk’, sondern auf einem prinzipiellen Mißtrauen gegen das Volk als ein ungutes. Gegen das eigene und gegen die anderen. Das ist das Erbe der klassischen ’Rechten‘. Die ethnischen Minderheiten und die Vertriebenen sind dafür ein Indikator – als Vorwarnung für die Vertreibungen von morgen, für die die neuen Vertreiber schon bereitstehen. Insofern darf man daran zweifeln, daß auf dieser Grundlage jemals ein demokratisches – und in diesem Sinne ’linkes‘ – Gemeinwesen hervorgehen kann. Jedenfalls machen unter den Bedingungen des westdeutschen Verfassungspatriotismus Anerkennung und Solidarität die eigentliche Subversion aus."

Hennig Eichberg, Kultursoziologe, im "wir selbst" -Sonderheft zur Vertreibung

 

 

"Mit Manfred Stolpe erhält ein Mann das Bundesverdienstkreuz, der wohl in allen politischen Systemen zu den Gewinnern zählen würde. An die Verleihung des Verdienstordens der Deutschen Demokratischen Republik wollte es sich partout nicht erinnern. Er stritt sie sogar ab. Denn es war klar, daß er nicht der Mann der Opposition gewesen sein konnte, wenn ihn das System mit einem solch hohen Orden ehren würde. Viel wahrscheinlicher scheint es, daß damit Stolpes Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit ausgezeichnet werden sollte. Daher behauptete der wohl prominenteste Inoffizielle Mitarbeiter (IM) Erich Mielkes auch, den Orden vom Kirchensekretär erhalten zu haben, als sich nicht mehr abstreiten ließ, daß es die Ordensverleihung tatsächlich gegeben hat."

Frank Sage in der Zeitschrift "Gegengift" vom 1. August 1999

 

 

"Drei Tage reinigten die Wehrpflichtigen einer schweizerischen Pionierkompanie ihre Kaserne, putzten die Fensterscheiben, wischten Duschen und Toiletten, bezogen die Betten mit frischer Wäsche, stellten sogar Blumen auf die Tische und zogen selbst mit ihrem Zeug in den "Bunker", in das triste unterirdische Massenquartier aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Flüchtlinge aus dem Kosovo sollten es schön haben. Als sie mit dem Bus aus Genf eintrafen, machten sie lange Gesichter. Nein, hier wollten sie nicht einziehen. Die Kaserne erinnere an Krieg, und vom Krieg hätten sie genug. Auch komme man zur Stadt ja nur mit dem Bus. Sie verlangten, nach Genf zurückgebracht zu werden, und dem wurde nachgegeben. Die Soldaten waren enttäuscht. (...) Ein paar junge Albaner hatten den Widerstand der Gruppe organisiert, weil sie wußten, daß sie mit Rauschgifthandel in Zürich zu mehr Geld kommen könnten als mit dem Taschengeld der Flüchtlingsbehörde, und daß sie im Bus in einer Falle säßen, wenn die Polizei erschiene."

Günther Gillessen in der "FAZ" vom 4. August 1999


 
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