© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/99 30. Juli / 06. August 1999


Verfassungsschutz: Broschüre über Skinheads
Beamtete Konkurrenz
Manuel Ochsenreiter

Gerade als wir alle dachten, es käme vor dem Ende dieses Jahrtausends kein nennenswertes Musikmagazin mehr auf den Markt, haut uns ein gewisser Fritz Behrens sein nigelnagelneues Rechtsrock-Magazin um die Ohren. Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen nutzt dabei offenbar gnadenlos seinen Wettbewerbsvorteil aus, übt er doch eine Tätigkeit aus, bei der er die Vinyl-Druckwerke brandheiß auf den Edel-Kiefernholz-Schreibtisch mit Mahagoni-Intarsien bekommt.

Als Herausgeber läßt Behrens der Einfachheit halber das Innenministerium fungieren. Auf ganzen 100 Seiten, die leider etwas farblos gerieten, präsentiert Behrens’ Mannschaft Neuigkeiten aus der Skinszene. Statt auf Farbe und aufwendiges Layout legen sie Wert auf fundiertes Infotainment, so zum Beispiel unter Punkt 2.1.2 wo "verschiedene Typen von Skinheads" für das interessierte Publikum erläutert werden. Da gibt es den "Skin", den Behrens als "Hautkopf" wörtlich übersetzt, die "Glatze", den "Bonehead", den "White-Power-Skin", den "Fascho-Skin", den "Nazi-Skin", den "Oi-Skin", die "Hammer-Skins", die "Blood and Honour-Bewegung", die "Sharp-Skins" und die "Hools".

Ausdrücklich warnt Fritz Behrens vor ungewollten Verstrickungen mit etwaigen brutalen Konsequenzen. So erklärt er beispielsweise, daß der "Oi-Skin", obwohl er nur Spaß will, auch gefährlich ist: "Dies bedeutet jedoch nicht, daß sein Gedankengut frei ist von Feindbildern wie Ausländern, ’Undeutschen‘ (Behinderte, Obdachlose, Prostituierte), politischen Gegnern, wie Angehörigen von Antifa-Gruppen oder sonstigen dem ’linken Spektrum‘ nahestehenden Personen."

Weiter gibt es interessante Modetips, wichtig für eine Jugendszene, in der man stets auf dem neuesten Stand sein möchte. "Zur szenetypischen Kliedung gehören vor allem eine Bomberjacke (meist grün, blau oder schwarz), schwere, manchmal mit Stahlkappen versehene Arbeitsschuhe (z.B. Doc-Martens) und hochgekrempelte Jeans sowie Hosenträger (Braces)."

Weiter legt die Redaktion Wert darauf, daß ihre Klientel beim nächsten Konzert mal so richtig mitgrölen kann. Denn die Veröffentlichung von Liedtexten ist rechtlich unbedenklich nur Behrens vorbehalten, was ihn in der Szene privilegiert. So erfreut er die Leser mit Texten von Rheinwacht, Volkszertreter, Sturmwehr, Schlagzeug, 08/15, Siegeszug, den Zillertaler Türkenjägern, dem Weißen Arischen Widerstand und den Bonzenjägern.

Durch einen juristischen Trick im Impressum seines Szene-Magazins wäscht Behrens seine Hände in Unschuld, denn dort steht, daß die abgedruckten Liedtexte "Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht isoliert von dieser Broschüre zugänglich gemacht werden" dürfen.

Als problematisch sehen Behrens und seine akribischen Helfer einen Textauszug der Gruppe Siegeszug an, weil dort "die Kriegsschuld relativiert" würde und "einseitig die Kriegshandlungen der Alliierten hervorgehoben werden". Der Text lautet: "Eine Stadt in Flammen, die Tat ist vollbracht./ Am Himmel ein Pilot, der darüber lacht./ Das Rauschen der Motoren, es klang ab,/ und Dresden war ein riesiges Grab./ Gedenke und klage an".

Neueinsteigern wie Behrens muß man nachsehen, wenn sie hie und da Kriegsverbrechen mit Kriegshandlungen verwechseln. Immerhin hat er schon genug Streß mit der Konkurrenz, die sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen lassen will. Eine weitere Maßnahme im gnadenlosen Werbefeldzug Behrens’ gegen die Konkurrenz ist, daß er sein Fanzine kostenlos unter die Leute bringt, hat er doch mit allen Steuerzahlern eine große Sponsorengemeinde im Rücken.

Doch auch sonst läßt er kein gutes Haar an der Konkurrenz, kritisiert er doch vor allem den professionellen Rechtsrock-Fanzinemacher (RockNord) und Manager der Gruppe Störkraft, Torsten Lemmer, indem er ihm fortlaufend "Kommerzialisierung" unterstellt. Ein Vorwurf übrigens, der gerade unter rechten Hardlinern nicht unüblich ist. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT äußerte sich Lemmer gelassen über die neue Konkurrenz aus seiner Heimat Düsseldorf. "Konkurrenz belebt das Geschäft, und das ist gut so!"

Die Broschüre ist kostenlos zu bestellen beim Innenministerium NRW, Abteilung Verfassungsschutz, Postfach 103013, 40021 Düsseldorf


 
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