© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/99 30. Juli / 06. August 1999


Öko-Audit: Die novellierte Verordnung soll noch mehr Schwung in das Verfahren bringen
Eine deutsche Erfolgsgeschichte
Ines Steding

Ein kleines Pflänzchen ist in die Höhe geschossen: Umweltorientierte Unternehmensführung hat sich im Unternehmensalltag fest etabliert. Im Idealfall stehen sämtliche Betriebsabläufe, ob in den Produktionshallen, im Büro oder im Lager, permanent auf dem Öko-Prüfstand. Ein solches integriertes Umweltmanagement wird systematisiert, quasi als Handlungsanleitung, in der Öko-Audit-Verordnung vorgegeben.

Vor fünf Jahren wurde die EG-Verordnung 1836/93 "über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung" erlassen. Dabei enthält die "Öko-Audit-Verordnung" genannte Norm heute wie selbstverständlich einen seinerzeit hart be- und umkämpften Streitbegriff: Alles andere als "freiwillig" sollte zunächst laut Umweltministerium die Beteiligung der Betriebe am Öko-Audit sein. Genau dafür plädierten aber Industrie und die maßgeblichen Wirtschaftsverbände, und so war aus der Umsetzung der EG-Verordnung in deutsches Recht ein Politikum ersten Ranges geworden. Die Verordnung in ihrer jetzigen Form trägt die Handschrift von Angela Merkel (CDU), die in einer ihrer ersten Amtshandlungen als Bundesumweltministerin auf Freiwilligkeit anstelle staatlichen Zwangs setzte und so dem Öko-Audit-Verfahren Spurtiefe verschaffte.

2000 Betriebe haben sich dem Verfahren unterworfen

Der Leiter der beim Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) in Bonn angesiedelten Stelle für die gemäß Umwelt-Audit-Gesetz vorgesehene Erfassung der national registrierten Betriebsstandorte, Hermann Hüwels, spricht dabei auch vom "Kooperationsprinzip". Dieses setzt auf die Mitwirkung und Mitverantwortung der Akteure bei der Gestaltung der Umweltpolitik.

Das Signal zündet: Bis dato haben sich in Deutschland 2074 Betriebe dem aufwendigen und nicht eben billigen Verfahren unterworfen. Am Ende winkt das begehrte Öko-Audit-Signet, mit dem allerdings zur Zeit nur standort- und nicht produktbezogen geworben werden darf. Solange es aber keine Kommunikation mit dem Verbraucher gibt, können nur Insider den Prestige-Wert des Signets ermessen.

Und wer regelmäßig das Amtsblatt der EG studiert, kann sich dort EU-weit über jeden registrierten Betrieb auf dem Laufenden halten. Prima vista schneidet Deutschland mit zwei Drittel aller erteilten Signets zwar gut ab, allerdings macht sich nicht nur Bundesumweltminister Jürgen Trittin Gedanken darüber, inwieweit dem Verordnungssystem mittels einer "höheren ökologischen und ökonomischen Wirksamkeit" nachgeholfen werden könnte. Dabei waren die Erlasser der Verordnung von 1993 sehr weitsichtig, indem sie nach fünf Jahren eine Art "Überarbeitungsautomatik" einbauten; was momentan zu einer Fülle von Revisionsvorschlägen führt, die allesamt auf dem Tisch der Kommission in Brüssel liegen.

Der oben genannte erweiterte, öffentlichkeitswirksamere Werbespielraum steht bei den Wünschen nicht obenan, vielmehr wird vor allem eine gesetzliche "Marscherleichterung" für die auditierten Betriebe genannt. Da ein registrierter Betrieb in eine dauernde Umweltüberprüfung einwilligt, sollten sonstige gesetzlich vorgeschriebene Aufsichtsmaßnahmen in den Betrieben wegfallen, zumal wenn es sich dann um doppelt vorgenommene, stets auch kostenpflichtige Kontrollen handelt. Nicht umsonst führt hierzulande Bayern mit 441 registrierten Betrieben das Ranking an, weil im bayerischen "Umweltpakt" bereits soviel wie möglich dereguliert wurde.

Gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, meist ohne eigene Fachabteilung "Umwelt", kann nur durch verringerte Aufsichtsdienste und bürokratisch weniger aufwendige Dokumentierpflichten der Anreiz zur Teilnahme am Öko-Audit erhöht werden. Denn dann, so Gabriele Klinge vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZHD) in Bonn, werden die Betriebe nachhaltig für ihre kostenintensive Vorleistung belohnt. Nicht vergessen werden sollte im übrigen, daß beim Auditierungsablauf regelmäßig Einsparungen bei Energie und Material erspürt werden und dieser Wettbewerbsvorteil den teilnehmenden Firmen nicht an anderer Stelle wieder genommen werden sollte.

Mit der Validierung ist ein neuer Beruf entstanden

Ausgeschlossen durch die Nachlässe wäre, dies muß selbstredend vorausgeschickt werden, eine Senkung der Standards bei den identifizierten Umweltproblemen, zum Beispiel den Emissionswerten gemäß TA Luft, beim Stoffkreislauf etc. Sowieso kommen in einem bürokratiefreieren Umfeld – so übereinstimmend Hermann Hüwels und Gabriele Klinge – Eigeninitiative und Innovation, auch im Umweltbereich, an Thesen zur Geltung.

Sowohl bei den großen Wirtschaftsverbänden als auch im Haus von Jürgen Trittin herrscht Einigkeit darüber, daß es künftig möglich sein sollte, die ISO-Normenreihe 14000, die sich mit dem Umweltmanagement befaßt, als Baustein in das umfassendere und qualitativ anspruchsvollere Audit-System zu integrieren. Spätestens zum Jahreswechsel soll die erneuerte Verordnung dann fit für den Sprung ins zweite Jahrtausend sein!

Zu guter Letzt: Die aufwendige Bewertung (Validierung) der Betriebe nimmt ein Umweltgutachter vor. Damit ist ein völlig neuer Beruf entstanden, wie der Leiter der Deutschen Akkreditierungstelle für Umweltgutachter (DAU) in Bonn, Markus Racke, ausführt. Eine abgeschlossene Berufsausbildung und anschließende Praxis müssen der Zulassung zur Prüfung als Gutachter vorausgehen. Diese ist sehr anspruchsvoll, weshalb von den bis heute angetretenen 497 Kandidaten sage und schreibe 57,9 Prozent nicht bestanden haben.

Die zur Zeit bundesweit tätigen 228 Umweltgutachter sind öffentlich-rechtlich zugelassen. Die DAU als hoheitlich beliehenes Organ ist hierfür zuständig und bleibt im Geschehen eingebunden. Denn alle 36 Monate müssen sich die Umweltgutachter, so Markus Racke, erneut einer Qualitätsüberprüfung durch seine Stelle unterziehen, wobei externe Fachberater mitwirken. Hierzu zählt unter anderem auch eine "Begutachtung der Gutachter" bei ihrer Arbeit vor Ort in den Betrieben. Das Verfahren rund um das Öko-Audit stellt schließlich einen geschlossenen Kreislauf dar: von Kontrolle und Gegenkontrolle.


 
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