© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/99 30. Juli / 06. August 1999


Realsatire: Von Wolfsangeln und Pudelmützen
Übereifrige Beamte
Werner Olles

Im Jahre 1982 wurde vom Bundesinnenministerium die rechtsextremistische Jugendorganisation "Junge Front", deren Zeichen eine stilisierte Wolfsangelrune war, verboten. Im Juli 1999 stand ein junger Mann auf dem Frankfurter Römerberg und schaute einer Kurden-Demonstration zu. Der junge Mann trug eine Pudelmütze mit der Aufschrift "Bornheim" und jenem Wolfsangelzeichen.

Dieser Tatbestand brachte nun Beamte einer Sondereinheit, die auf Abzeichen und Aufnäher verfassungsfeindlicher und verbotener Gruppierungen spezialisiert ist – eine wahrlich aufopferungsvolle und eminent wichtige Aufgabe – , auf den Plan. Man stellte die Personalien des ahnungslosen Bornheimers fest, leitete unverzüglich ein Ermittlungverfahren ein, und die Frankfurter Staatsanwaltschaft – die sonst nicht gerade im Ruf besonderer Eile steht – beantragte einen Strafbefehl.

Die 6. Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Heinz Fischer mußte zum Leidwesen der Exekutive jedoch feststellen, daß jene inkriminierte Wolfsangel seit jeher das Wappen des ehemaligen Dorfes Bornheim, welches im Jahre 1877 als Frankfurter Stadtteil eingemeindet wurde, ziert. Und bis heute wird das Wappen mit der berüchtigten Wolfsangel von den Bornheimern, deren Lokalstolz in der Mainmetropole legendär ist, auch öffentlich auf Stadtteilfesten, Umzügen etc. gezeigt. Selbst das gern gelesene Bornheimer Wochenblatt hat jenes Emblem auf seiner Titelseite, ohne daß sich bis heute irgendjemand darüber aufgeregt hätte.

Dem jungen Mann mit der Pudelmütze bescheinigte das Gericht daher gerne, daß er durch das Tragen des Wappens keineswegs Sympathien mit der 1982 verbotenen, ohnehin nur wenig bekannten "Jungen Front" signalisieren wollte. Dem unbefangenen Beobachter vermittele es vielmehr schlicht und einfach den Eindruck des altehrwürdigen Bornheimer Wappens, nicht mehr und nicht weniger. Das Landgericht kam daher zu dem vernünftigen und für jedermann leicht nachvollziehbaren Urteil, daß "die Bornheimer, jedenfalls was das Tragen ihres Wappens anbelangt, unbesorgt in die Zukunft sehen können".

Den in diesem Falle übereifrigen Polizeibeamten und der Staatsanwaltschaft sollte man dagegen eventuell empfehlen, anstatt harmlose Bornheimer Bürger zu drangsalieren, sich mit entsprechendem Elan um wirkliche Kriminelle zu kümmern, von denen es auf Frankfurts Straßen und Plätzen leider immer noch mehr als genug gibt. Hier wartet eine echte Aufgabe auf sie, die allerdings möglicherweise dadurch erschwert wird, daß Straftäter und Verbrecher im Regelfall keine Wolfsangeln tragen.


 
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