© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/99 30. Juli / 06. August 1999


Ein kluger Schachzug
von Detlef Kühn

Der FDP-Ehrenvorsitzende und frühere Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff ist immer noch tatendurstig. Nun hat ihn Bundeskanzler Schröder als Nachfolger des ehemaligen Kanzleramtsministers Bodo Hombach zum Beauftragten für die "Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen" ernannt. Als solcher soll er die Verhandlungen über einen Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter im Deutschen Reich weiterführen. Dabei dürfte Schröder auch innenpolitische Überlegungen angestellt haben. Zum einen ist ihm die Signalwirkung willkommen, die darin liegt, daß ein FDP-Politiker, der 1982 entscheidend zum Ende der sozialliberalen Koalition beigetragen hat, jetzt erneut eine interessante Aufgabe von einem sozialdemokratischen Bundeskanzler erhält. Das wird alle diejenigen in der FDP bestärken, die erwarten, daß die SPD die Liberalen bald wieder zum Regieren braucht. Zugleich ist es ein weiterer Warnschuß vor den Bug der Grünen, die einmal mehr daran erinnert werden, daß es notfalls auch ohne sie geht. Zum anderen hat die Berufung Lambsdorffs für Schröder aber auch einen entlastenden Effekt in einer politisch heiklen Angelegenheit, bei der der Erfolg alles andere als sicher ist.

Ob die von ehemaligen Zwangsarbeitern verklagten deutschen Firmen rechtlich überhaupt zu Zahlungen verpflichtet sind, ist durchaus zweifelhaft. Sie sind zur Beteiligung an dem geplanten Entschädigungsfonds bereit, weil sie die angedrohten Boykott-Maßnahmen gegen ihre Produkte fürchten. Allerdings wollen sie sicher sein, nicht danach erneut zur Kasse gebeten zu werden. Eine Lösung für dieses Problem zeichnet sich noch nicht ab, da keiner der künftigen Verhandlungspartner von Lambsdorff garantieren kann, daß nicht noch andere clevere Anwälte auf ähnlich gute Ideen für Sammelklagen von Nazi-Opfern kommen werden. Ein Scheitern der Mission Lambsdorffs liegt also durchaus im Bereich des Möglichen; dann könnte das Kanzleramt seine Hände in Unschuld waschen.

Kommt es aber trotz dieses Problems zu einer Einigung, werden sich Tausende und Abertausende ehemalige deutsche Zwangsarbeiter vor allem in der Sowjetunion fragen, warum die an ihnen begangenen Rechtsbrüche nicht zu Entschädigungen führen. Sie werden ihre Anfrage nicht zuletzt an den FDP-Politiker Lambsdorff richten, dem eine zufriedenstellende Antwort schwer fallen dürfte. Auch hierbei könnte sich der Bundeskanzler vornehm zurückhalten. Ein kluger Schachzug Schröders!

 

Detlef Kühn gehört seit 1965 der FDP an. Von 1966 bis 1970 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundestagsfraktion, von 1972 bis 1991 Präsident des Gesamtdeutschen Instituts in Bonn, danach bis zu seinem Ausscheiden Ende 1998 Direktor der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien in Dresden.


 
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