© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/99 23. Juli 1999


Währungsverfall: Die Europäische Einheitswährung stürzt immer weiter ab
Herr Bundeskanzler, stoppen Sie den Euro!
Bernd-Thomas Ramb

Der Niedergang des bei den Deutschen weiterhin unbeliebten Euro ist ein Paradebeispiel für den zunehmenden Verfall der politischen Sitten im Maastrichter Europa. Der Werbespruch deutscher Politiker, "Der Euro wird stabiler als die Mark", ist noch in jedermanns Ohren, da wird schon die Parole herausgegeben, daß der Wertverfall des Euro nicht mehr öffentlich kommentiert werden dürfe. Als ob das Vertrauen in eine Kunstwährung durch peinliches Verschweigen der Kunstfehler hergestellt werden könnte. Noch trifft die Verlogenheit der Politiker, die mit ihren Stabilitätsbeschwörungen der herrschenden Meinung der Wirtschaftswissenschaftler widersprachen, auf die apathische Gleichgültigkeit ihrer Wähler, die sich achselzuckend dem scheinbar unabänderlichen fügen. Das kann sich jedoch schnell ändern, wenn die unausweichlichen wirtschaftlichen Folgen des Euro-Desasters spürbar werden.

Vorerst starrt alle Welt wie gebannt auf die Parität von Euro und Dollar. Nicht, ob der Euro so tief fällt, sondern wann das Gleichgewicht von Euro und Dollar erreicht wird, bestimmt Diskussion und Spekulation. Dabei ist der Eins-zu-Eins-Kurs zwar ein psychologisch wichtiges Signal, wichtig vor allem für das Ansehen des Euro, aber letztlich ohne gravierende ökonomische Bedeutung. Es gibt kein Naturgesetz, das den Wechselkurs zweier Währungen gleichsam magisch an die Zahl Eins bindet. Das volkswirtschaftliche Gleichgewicht könnte auch erst bei einem Euro-Kurs von 90 amerikanischen Cents erreicht sein, wie es in der Tat einige Wirtschaftswissenschaftler vermuten.

Ein Viertel seines Startwertes von knapp 1,20 Dollar hätte dann der Euro in weniger als einem Jahr verloren. Da bietet die Tatsache, daß in der kurzen Zeit seiner Existenz keine nennenswerte Inflation zu verzeichnen ist, nur schwachen Trost. Zumal die momentane Preisentwicklung von einigen Sondererscheinungen geprägt ist, die rasch ihre Wirkung verlieren können.

Beispielsweise hat der Preisverfall bei den Telefonkosten durch den verschärften Wettbewerb im Telekommunikationsbereich den Anstieg des allgemeinen Preisindexes gedämpft. Bei den Gesprächspreisen sind jedoch mittlerweile Tiefpunkte erreicht, so daß künftig der Preisanstieg anderer Produkte und Dienstleistungen stärker den Preisindex bestimmt.

Da ist in erster Linie der Erdölpreis zu beachten, dessen jüngster Anstieg sich noch nicht im vollen Umfang in der Inflationsrate niedergeschlagen hat. Der Ölpreisanstieg ist dabei nicht nur durch die Verknappung des Angebots entstanden, sondern auch und vor allem durch den verteuerten Dollar. Auch andere Importgüter müssen in Dollar bezahlt werden. Der sinkende Außenwert des Euro wird daher nicht ohne Rückwirkung auf die Entwicklung des Preisniveaus bleiben. Die Inflation wird in den kommenden Monaten durch den Kursverfall über die höheren Importpreise angeheizt.

Die Gründe für den Verfall des Außenwertes des Euro sind vielfältig. Keinesfalls zutreffend ist die Behauptung, allein die Stärke der amerikanischen Wirtschaft sei daran schuld. Nach einer Vergleichsstudie des Instituts der Deutschen Wirtschaft hat der Euro gegenüber dem US-Dollar zwar am kräftigsten verloren, zwölf Prozent in 26 Wochen, im gleichen Zeitraum fiel der Euro gegenüber den Währungen der elf wichtigsten Handelspartner der Euro-Länder um 7,3 Indexpunkte.

Die wirtschaftliche Stärke der USA erklärt gewissermaßen nur ein Drittel des Euroverfalls. Alle Handelspartner des Eurolandes haben sich besser entwickelt, der Euroverfall ist somit selbstverschuldet. Gleichwohl sind die Stärken der US-Wirtschaft symptomatisch für die Schwächen des Eurolandes. Mangelnde Flexibilität, insbesondere des Arbeitsmarktes, Überregulierung und hohe Steuern wurden in den USA frühzeitig abgebaut oder beseitigt. In Europa, dessen wirtschaftliche Entwicklung überwiegend von Deutschland geprägt ist, fehlen nach wie vor ernsthafte Ansätze zu einer fundamentalen Reform der verkrusteten Wirtschaftsstruktur.

Ein charakteristisches Beispiel ist die ungebrochene Bereitschaft der Euroländer zur Staatsverschuldung. Italien bekommt eine Sondererlaubnis zur Neuverschuldung, in Deutschland wird durch ein aktionistisches Sparpaket gerade einmal die Zunahme der Neuverschuldung gebremst, von einer Reduktion der Staatsschulden spricht jedoch niemand. Während die Länder der Europäischen Währungsunion das letzte Jahr mit einem Haushaltsdefizit von 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts abschlossen, haben die USA einen Haushaltsüberschuß von 1,4 Prozent erwirtschaftet.

Kein Wunder, daß unter solchen Bedingungen die Weltwirtschaft lieber in Amerika oder sonstwo investiert als im Euroraum, geschweige denn in Deutschland. Demzufolge ist nicht nur der Dollar, selbst bei steigendem Wechselkurs, weiterhin sehr gefragt, wegen der wirtschaftlichen Überhitzungsgefahr verstärkt sich auch der Druck auf die amerikanische Zentralbank, die Zinssätze zu erhöhen. Mindestens genauso stark, aber in umgekehrter Richtung, muß sich der Wunsch der europäischen Regierungen entwickeln, die eigenen Zinsen niedrig zu halten oder zu senken. Dabei geht es ihnen nicht nur um einen fraglichen Impuls zur Belebung der Konjunktur, sondern mehr noch um die Vermeidung einer Haushaltsexplosion durch eine höhere Zinsbelastung. Schon jetzt wird jede vierte Mark aus Steuereinnahmen für die Verzinsung der Staatsschulden ausgegeben. Eine durchaus denkbare Verdoppelung des Zinssatzes würde den Staat, der die Hälfte seines Budgets zur Bezahlung von Zinsforderungen aus der Staatsverschuldung verwenden muß, an den Rand der Zahlungsunfähigkeit treiben. Die unvermeidliche Vergrößerung der Zinsschere zwischen den USA und Europa führt aber zwangsläufig zu einem weiteren Absacken des Eurokurses.

Die 90 Cents pro Euro bilden somit keinesfalls eine untere Grenze. Bis zur Null ist noch viel Spielraum. Die Frage ist, bei welchem Kurs der Wähler den verantwortlichen Politikern die rote Karte zeigt. Da sowohl die Regierungs-parteien als auch die Opposition mitverantwortlich für die Euro-Fehlentscheidung sind, dürfte dies jedoch kaum Anlaß zu einem Regierungswechsel geben. Eher ist zu erwarten, daß der gerne populistisch orientierte SPD-Kanzler in dieser Frage einen Wechsel vollzieht. Wenn einer den Euro noch verhindern kann, dann Schröder. Läßt er sich diese Chance entgehen, erledigt sich das Thema Euro auch von selbst, spätestens nach der kommenden Inflation. Die Grundlage dazu ist in der gegenwärtigen Schwäche des Euro bereits angelegt.


 
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