© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/99 09. Juli 1999


Kulturtagebuch: Die Deutsche Bank und der Kapitalismus im 21. Jahrhundert
Die Ordnung der Elemente bewahren
Andreas M. Daniel

Irgendwie hatte man es immer schon geahnt, doch so prosaisch wie von einem namenlosen PR-Strategen der Deutschen Bank ist es bisher nur selten formuliert worden. "Die Bank lebt nicht vom Geld allein", heißt es auf den Internet-Seiten des weltweit größten Bankhauses. Dabei besteht zwischen dem Zwang zum schnöden Gelderwerb und dem Hang zum gesellschaftlich-kulturellen Engagement eine ganz unmittelbare Beziehung. "Je größer das Geschäft, desto weiter auch der nicht-geschäftliche Einsatz."

Deswegen unterhält die Deutsche Bank eine Stiftung "Hilfe zur Selbsthilfe", eine Kultur-Stiftung und einen Stiftungsfonds, besitzt eine der größten Sammlungen zeigenössischer Kunst und fördert mit dem internationalen Wettbewerb "Europas Jugend forscht für die Umwelt" das Engagement der nachwachsenden Generation "für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen". Beruhigend zu wissen, daß auch vermeintlich seelenlose Bankiers sich nicht der Weisheit des Indianerhäuptlings Seattle verschließen, derzufolge wir die Welt nur von unseren Kindern und Enkelkindern geliehen haben.

Schließlich bietet die Deutsche Bank mit der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft ein Forum, auf dem besonders die Verflechtungen des nationalen mit dem internationalen Geschehen diskutiert werden. Einer Selbstdarstellung der 1992 gegründeten Alfred-Herrhausen-Gesellschaft ist zu entnehmen, daß sie gemeinnützige Zwecke verfolgt. "Ihr Ziel ist es, Macht, Geist und Geld zusammenzubringen und den Austausch zwischen diesen drei Gundelementen öffentlichen Lebens zu pflegen." Die Analogie zu den vier unzerteilbaren Bausteinen allen Seins – Feuer, Wasser, Luft und Erde – ist offenkundig und sicher gewollt. Nur die Reihung von Macht, Geist und Geld gibt Rätsel auf – Geld, Macht und Geist wäre einleuchtender. Denn Geld, so Christoph Schlingensief, sei das einzige, was die Menschen mobilisiere.

Der umstrittene Theaterregisseur war von der Deutschen Bank beauftragt worden, ein Programm für das Kolloquium "Der Kapitalismus im 21. Jahrhundert" am 2./3. Juli zu gestalten. Das Stück sollte den Titel "Rettet den Kapitalismus" tragen. Als Schlingensief ankündigte, 100.000 Mark in kleinen Scheinen vom Reichstag werfen zu wollen ("Wir schmeißen das Geld weg, und ihr sammelt es auf. Das ist Kultur für die Massen"), war Schluß mit lustig. Die Deutsche Bank entzog Schliegensief kurzerhand den Auftrag; die Ordnung blieb gewahrt.


 
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