© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/99 09. Juli 1999


EU-Präsidentschaft: Ernüchternde Bilanz
Deutsche Hybris
Arnulf Rall

Auch im offiziellen Brüssel hinterläßt die jüngst vergangene deutsche Ratspräsidentschaft einen schalen Nachgeschmack. Zweifellos hat das Bonner Beamtenkorps kurz vor dem Kofferpacken nach Berlin noch in Brüssel im Vorsitz von Hunderten von Ratsarbeitsgruppen im wesentlichen eine tüchtige, konsensuale und reputierliche Arbeit geleistet. Auf politischer Ebene wuden diese Vorarbeiten rasch vergeigt. Großspurigkeit, Überheblichkeit, Ruppigkeit im persönlichen Umgang, gepaart mit europapolitischer Ahnungslosigkeit wurden zu Markenzeichen der deutschen Minister, die sich in ihrer unverhofften europäischen Führungsrolle nur allzu offensichtlich überfordert und unwohl fühlten und dies durch naßforsche Aggressivität ganz im Stil ihrer 68er Biographien zu kompensieren trachteten. Die bestenfalls ambivalenten Gefühle der rot-grünen Provinzkader im Ministeramt gegenüber dem abendländischen Europa schlugen voll durch. Wieviel schöner wäre die Uno gewesen mit ihrer diffus-unverbindlichen multikulturellen Menschheitsbeglückung!

Dem Kanzler waren bei seinen Gipfeln die Fototermine ohnehin wichtiger als die Inhalte. Berlin wurde im März durch das bewährte Zücken des Scheckbuches zum "Erfolg", ohne daß den erhöhten Zahlungen Deutschlands irgendwelche Konzessionen Frankreichs im Agrarsektor oder Spaniens bei den Kohäsionsfonds (die eigentlich nur bis zum Beginn der Währungsunion Bestand haben sollten) entsprochen hätten. Um die Osterweiterung zu finanzieren, bleiben einmal mehr Nachbesserungen der in Berlin mißratenen Agenda 2000 in Gestalt national mitfinanzierter Agrarzahlungen und gekürzter Regionaltransfers unabdingbar.

Bevor jedoch richtig bilanziert werden konnte, lenkten Nato-Bomben auf Belgrad und Neusatz zum Schutz der 500 Kilometer weiter südlich befindlichen Albaner und eine Folge ineffektiver, jedoch fernsehgerecht inszenierter Friedenspläne die Aufmerksamkeit des geneigten Publikums von dem sehr teuer gewordenen Berliner Gipfel ab.

Auf dem Juni-Gipfel von Köln, der mit Stabilitätskonzession an Italien den unglücklichen Euro endgültig in den Weichspülgang schob, konnte Schröder einmal den angekündigten Erhalt der zugegeben unsinnigen Zollfreiländer und Butterfahrten im Binnenmarkt durchsetzen. Auch die Verabschiedung eines dritten, ebenso wortreichen wie folgenlosen Beschäftigungsprogramms (der vorige Beschäftigungspakt war erst sechs Monate früher beim Wiener Gipfel unter der Federführung des PR-Genossen Klima ebenso absehbar ergebnislos der staunenden Öffentlichkeit verkündet worden), verfing nicht mehr.

Die verdiente Quittung durch den Wähler folgte prompt. Trotz aller fotogenen Kriegskanzlerposen und der penetrant moralisierenden Agitation des ungedienten Bonner Trio infernale gewann die Union erdrutschartig mit der außerhalb Bayerns langweiligsten Wahlkampfführung aller Zeiten.

Dann als krönender Abschluß der Präsidentschaft: Der Auftritt Trittins als rüpelhafter Industrielobbyist, der seinen Ratsvorsitz (eigentlich als die Funktion eines "ehrlichen Maklers" konzipiert) mit sein den beim maoistischen KB verinnerlichten putschistischen Techniken mißbrauchte und die Annahme der anstehenden Altwagenrichtlinie mit ihrer für den Bürger kostenfreien Entsorgung auf Kanzlerbefehl blockierte. Der Ausverkauf an nationale Industrieinteresen zum Nulltarif war in der EU noch nie so blamabel, unverhohlen und so argumentationsfrei erfolgt. Nicht nur war damit die wahre Natur der linksgrünen Ökogesinnung dekouviert, auch erscheint die Europapolitik der abgelaufenen Präsidentschaft als Sittenbild der neuen grün-roten deutschen Politikkultur: Lautstarkes Zahlmeistergehabe, großmäuliges Eigenlob, Unlust im inhaltlichen Engagement, und Europa als Bühne zur Selbstdarstellung (und Blamage) und zum Abschieben belastender und enervierender Genossen wie die Herren Hombach und Verheugen.

Mit dieser egomanischen Arroganz wurde jeglicher durch die hohen Nettozahlungen erwirtschaftete Kredit bei den EU-Kollegen in kürzester Zeit verspielt. Von partnerschaftlicher Zusammenarbeit findet sich keine Spur. Mit seiner aktuellen politischen Führung erweckt Deutschland auch wegen des ins Zerr-Bild passenden protzigsten und selbstgerechtesten Sühnedenkmals aller Zeiten in der Europäischen Union keine Sympathien mehr. Über diese Präsidentschaft der Pleiten und Peinlichkeiten konnte man sich nur noch schämen und auf ein kurzes kollektives Erinnerungsvermögen hoffen.


 
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