© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/99 18. Juni 1999


Ausstellung: Historische Schlaglichter auf "Bayern und Preußen"
Eine schwierige Gemeinschaft
Martina Grundmann

Bismarck war klug genug gewesen, um bei der Gründung des Kaiserreichs insbesondere den Bayern Reservatsrechte zu belassen, die vor allem psychologisch von Bedeutung waren. Dazu gehörte auch der Beibehalt ihrer Gesandtschaften. Bayerns wichtigster Außenposten stand in der Berliner Voßstraße in unmittelbarer Nachbarschaft zur Reichskanzlei. Auch damit drückte das Königreich seinen Anspruch aus, Einfluß auf die Reichspolitik zu nehmen. Der staatsrechtliche Widerspruch, daß ein Bundesstaat sich durch die diplomatische Vertretung beim Zentralstaat mit diesem auf eine Ebene stellte, wurde durch die formale Akkreditierung beim preußischen König entschärft, der freilich zugleich deutscher Kaiser war.

Die Bayerische Gesandtschaft in Preußen wurde auch in der stärker zentralstaatlich angelegten Weimarer Republik beibehalten, obwohl das Reich wie auch Preußen für die Abschaffung der innerdeutschen Gesandtschaften plädierten und die preußische Vertretung in München de facto zur Vertretung des Reiches umgewidmet wurde. Diese Entwicklung stieß auf den erbitterten Widerstand Bayerns, das an den Insignien seiner – freilich bloß noch fiktiven – Eigenstaatlichkeit festhalten wollte.

Als die politischen Divergenzen zwischen dem rechtsbürgerlich regierten Reich und dem sozialdemokratisch dominierten Preußen immer größer wurden, reaktivierte Preußen seine eigene Gesandtschaft in München. 1927 wurden ihre renovierten Räume unter Beteiligung der Ministerpräsidenten Otto Braun und Heinrich Held eingeweiht. Braun erklärte, daß er innerdeutsche Gesandtschaften im Prinzip für überflüssig halte, dem "Verhältnis zwischen den beiden größten Ländern des Reiches, zwischen Nord und Süd, zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes" aber eine besondere Bedeutung zukomme. 1931 wurde die Reichsvertretung in München von Reichskanzler Heinrich Brüning aus Kostengründen aufgelöst, kurz darauf gab auch Preußen zur Verbitterung der Bayern seine Gesandtschaft auf. Die bayerische Vertretung in Berlin führte ihre Geschäfte beim Reich noch über die "Gleichschaltung" der Länder 1933/34 hinaus weiter. Sie existierte in veränderter Form bis 1950; danach wurde sie geschlossen. Erst im Dezember 1998 wurde wieder eine Bayerische Landesvertretung in der alt-neuen Hauptstadt eingeweiht.

So opulent und informativ die Ausstellung "Bayern & Preußen – Schlaglichter auf eine historische Beziehung" auch ist, die Neigung, Bayerns nicht gerade ruhmvolle Geschichte im Vorfeld des Dritten Reiches auf Kosten Preußens zu entsorgen, ist unverkennbar. Die Periode bis Mitte der 20er Jahre, als Bayern sich als "Ordnungszelle" in Deutschland darstellte und zum Sammelbecken der Demokratiefeinde jeder Couleur wurde, wird zwar kritisch gestreift, dabei aber bemerkenswert unterbelichtet. Sparsam sind die Informationen über die Hätschelung Hitlers durch republikfeindliche bayerische Richter nach dem Putsch vom 9. November 1923, unerwähnt bleibt seine milde Haft auf der bayerischen Festung Landsberg, wo er "Mein Kampf" schrieb. Nichts erfährt man über das "Braune Haus" in München, der "Hauptstadt der Bewegung", nichts über den berüchtigten Nürnberger Gauleiter Julius Streicher, auch nichts über die Reichsparteitage in Nürnberg. Daß ausgerechnet die Bayerische Volkspartei durch die Parteinahme für Hindenburg dessen Sieg über den Zentrumskandidaten Wilhelm Marx bei den Reichspräsidentenwahlen 1925 ermöglichte, fällt erst recht unter den Tisch.

Beiläufig wurde Bayerns Insistieren auf den Föderalismus mit der Verteidigung der Weimarer Demokratie gleichgesetzt und in Anspielung auf den "Preußenschlag" vom 20. Juli 1932 gegen die sozialdemokratisch geführte Landesregierung unter Otto Braun doppeldeutig festgestellt: "Die Zerstörung des föderativen Prinzip begann in Preußen." Papens reaktionäre Reichsexekution wurde jedoch an Preußen und seiner "demokratischen Sendung" (Hagen Schulze) aus eben jenem antirepublikanischen Geist heraus vollzogen, der in Bayern früher als anderswo reüssiert hatte. Denn Preußen war zu diesem Zeitpunkt "die einzige innenpolitische Kraft, die, wenn auch nur noch mühsam, bereit und imstande war, dem Morden auf den Straßen ein Ende zu bereiten". Die Bayerische Staatsregierung argumentierte in ihrer Klage vor dem Staatsgerichtshof denn auch ausschließlich mit dem föderalen Argument, der eklatante Verstoß gegen den demokratischen Geist der Verfassung interessierte sie nicht.

Preußen wurde 1947 durch alliierten Befehl aufgelöst, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt als seine übriggebliebenen Bruchstücke bilden keinerlei Gegengewicht zum prosperierenden Freistaat. Im Grußwort zum Katalog hat Ministerpräsident Edmund Stoiber die bekannten preußischen Tugenden aufgezählt, "auf die jedes Gemeinwesen angewiesen bleibt", und die Aussage von Franz Josef Strauß zitiert, die Bayern müßten bereit sein, um der Zukunft Deutschlands willen zu den letzten Preußen zu werden. Also dürfen Berlin und sein armes Umland heute auf Bayern hoffen, wie einst Bayern auf Friedrich II. Das ist eine späte, schöne, versöhnliche Pointe in einer oft schwierig verlaufenen deutschen Schicksalsgemeinschaft.

Die Ausstellung in der Bayerischen Vertretung in Berlin läuft bis zum 20. Juni und wird in verdoppeltem Umfang vom 8. Juli bis zum 10. Oktober 1999 auf der Plassenburg in Kulmbach gezeigt. Der Katalog kostet 29 DM.


 
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