© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/99 04. Juni 1999


Kolumne
Machtwechsel
von Peter Sichrovsky

"Ein Stück Machtwechsel" – ja, genau so nannte der grüne Außenminister J. Fischer die Wahl des neuen deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau. Was er wohl damit gemeint haben kann? Wie groß ist so ein Stück Präsident im Rahmen des gesamten Machtwechsels? Sehr groß oder nur sehr klein? Oder so mittelgroß, mittelklein? Und wie sehen die anderen "Stücke" aus? Was einen am meisten irritiert an der "neuen" deutschen Regierung ist die Tatsache, daß ihre Sprache so "alt" ist. Austauschbar sind die Worte von links, rechts und grün oder sonst einer Richtung. Austauschbar die Reden und Gesten, und einer langweilt so wie der andere.

Erstarrt in Formalismen und Klischees, die in regelmäßigen Abständen zu verschiedenen Themen wiederholt werden, stehen sie alle in den gleichen Anzügen und reden dasselbe. Sie greifen nach den Uniformen in ihren Kleiderkästen und wählen je nach Zuhörer das Lässige oder Formelle und präsentieren die jeweils vorbereitete Rede.

Einfallslos und dumpf, aber desto lauter gebrüllt werden diese Warnungen vor dem Bösen, und die unsichtbare Hand auf der Schulter des Meinungsgenossen beruhigt mit einer leichten Berührung. Dort drüben sitzen sie alle, rufen sie dann einander zu und strecken den Arm vor! Dort drüben auf der anderen Seite des Flusses, am anderen Ufer, weit weg von uns doch viel zu nah! Dort sammeln sich die, die das Böse wollen und fordern und nicht einsehen wollen, daß wir nur das Böse mit dem Bösen vertreiben können und uns so auch gut fühlen dürfen.

Der Krieg hat seine eigene Sprache, auch für ehemalige Pazifisten. Er rechtfertigt immer nur die Gewalt mit dem Argument, auf Gewalt zu verzichten, und verurteilt die Gewaltlosen als gewalttätig und für die Gewalt verantwortlich. Einst schrie ein Österreicher den Deutschen zu: Wollt Ihr den totalen Krieg! Und wenn es noch so unfair klingen mag, es ist das Schreien, das Hysterische in den Stimme, das einen den kalten Schauer auch heute noch über den Rücken laufen läßt, wenn man den Debatten um den Nato-Einsatz zuhört.

Falls die Überzeugung eine Methode des demokratischen Dialoges sein soll, so hat er zum Thema Kosovo noch nicht stattgefunden. Hier zählen die Lautstärke, die Drohungen, die Verleumdungen und der Vorwurf für oder gegen ein mörderisches Regime zu sein oder nicht. So retten die Vertriebenen, ohne es zu wissen oder zu wollen, eine links-grüne Regierung, die uns allen weismachen möchte, daß sie zu deren Rettung angetreten ist. Wie sagt man dazu in Wien: Wenn man solche Freunde hat, braucht man sich vor seinen Feinden nicht mehr zu fürchten.

 

Peter Sichrovsky ist Publizist und österreichischer Europaabgeordneter. Er lebt in Wien und San Franzisco.


 
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