© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/99 28. Mai 1999


CD: Pop
Knarziger Charme
Holger Stürenburg

Über Status Quo, die seit über 30 Jahren im Geschäft sind, braucht man eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Sie rockten durch die gesamten 70er "Again und again", "All over the World", waren in den 80ern "In the Army now" mit "A Mess of the Blues" und hatten natürlich auch in den 90ern "Fun Fun Fun", wie ihre letzte Hitsingle vor drei Jahren hieß. Damals hatten sie ein Album ausschließlich mit Coverversionen wie jenem Beach Boys-Klassiker veröffentlicht, um ihrer alten Plattenfirma Vertigo noch einen letzten Wunsch zu erfüllen. Zwischen 1996 und 1999 tourten Status Quo ohne Plattenvertrag um die Welt, um nun bei ihrer neuen Hamburger Firma Eagle Roch Entertainment erstmals seit 1994 ein Album mit eigenem neuen Material vorzulegen. So neu ist "Under the Influence" natürlich auch nicht, selbst wenn die alten Herren um Francis Rossi nahezu durchgehend als Komponisten angegeben sind. Bei den 12 neuen Songs handelt es sich um Blues’n’Boogie, mal heavy ("Round and Round"), mal romantisch-balladesk ("Little White Lies"). Die Gitarren wummern auf dem bekannten Zwölftakttriff, das Schlagzeug peitscht im konventionellen Viervierteltakt. Francis Rossi meint: "Wir sind ein traditionelles Markenprodukt, von dem sich kein Fan eine Änderung wünscht." Unnötige Modernisierungen würden dem klassischen Quo-Rock auch mehr von seinem knarzigen Charme nehmen denn Positives hinzufügen. "Under the Influence" ist ein einfach gestricktes Partyalbum, das auf eindrucksvolle Weise demonstriert, wie man sich mit Rock’n’Roll jung erhalten kann und seine Fangemeinde immer wieder neue begeistert, ohne sich dem musikalischen Zeitgeist anzupassen.

Auch Thunder sind eine Band, die sich dem traditionellen Rock verschrieben hat, sich jedoch, im Gegensatz zu Status Quo, aktuellen Veränderungen und Entwicklungen in der gitarrenbetonten Rockmusik nicht verschließt, sondern diese immer wieder mit ihren auf Blues und Soul basierenden Hymnen verbindet. Vor zehn Jahren galten Thunder mit ihrem Erstling "Dirty Love" und der Neuaufnahme von Steve Winwoods "Gimme some Loving" als neue Hoffnung des britischen Rock. Nach einigen weiteren Hits 1990/91 jedoch verkauften Thunder zunehmend weniger Platten; 1994 wollten sie sich gar auflösen. In diesen Tagen ist dennoch, ebenfalls bei Eagle, wieder ein Studioalbum der fünfköpfigen Londoner Band erschienen, das sich durchaus mit dem damals so erfolgreichen Debütalbum "Backstreet Symphony" messen lassen kann. Allerdings sind Thunder wesentlich melodischer geworden, klingen weniger wild und ungestüm als noch zu Beginn ihrer Karriere.

So klingt der Titelsong des neuen Albums "Giving the Game away" wie ein gekonntes Cover aus späten Beatles-Tagen, während der 70er-Discohit "Play that Funky Music" im Gitarrenrockgewand kräftig neues Leben eingehaucht bekommt. Oft ein bißchen düster, melancholisch tönen die anderen Lieder, gar Altersweisheit, Abgeklärtheit des Komponisten und Gitarristen Luke Morley läßt sich in den auf der CD überwiegenden Balladen ausmachen. Trotz aller traditionellen Haltung zwischen Blues, Rock und Soul klingt "Giving the Game away" niemals altmodisch. Mal kommen leise REM-Einflüsse durch, ab und zu scheinen Extreme, mit denen Thunder 1992 durch Europa getourt sind, eine gewisse Vorbildfunktion auszuüben, gar amerikanische Grunge-Rock verbindet sich auf positive Weise mit den 70er-Rockklängen der Band.


 
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