© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/99 28. Mai 1999


Doppelte Staatsbürgerschaft: Am 1. Januar 2000 kann das neue Gesetz in Kraft treten
Verfassungsgklage angekündigt
Richard Stoltz

Nachdem die von der rot-grünen Regierungskoalition gewollte Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts am Freitag vergangener Woche mit den Stimmen der SPD-geführten Länder auch den Bundesrat passiert hat, kann die umstrittene Neufassung am 1. Januar 2000 voraussichtlich in Kraft treten.

Nach dem neuen Recht erwerben Kinder ausländischer Eltern mit ihrer Geburt in Deutschland automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Damit wird das bisher allein geltende Abstammungsprinzip durch ein Geburtsprinzip ergänzt. Bis zur Vollendung ihres 23. Lebensjahres müssen sich die Doppelstaater dann für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Mit der Änderung wird auch erwachsenen Ausländern künftig der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wesentlich erleichtert.

Bundesinnenminister Otto Schily bezeichnete die Reform als "Modernisierung von historischer Dimension". Damit bekenne sich Deutschland "zu einem realistischen Begriff der Nation", erklärte der SPD-Politiker. Nation vor allem als "Blutsverbundenheit" zu definieren, gehöre "zu den tragischen Irrtümern unsere Vergangenheit". Es sei stets eine Illusion gewesen, die Idee der Nation "auf einer ethnischen Homogenität gründen zu können", sagte Schily.

Die Unionsparteien bekräftigten unterdessen ihre Ablehnung des neuen Gesetzes. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber kündigte im Bundesrat an, eine künftige CDU/CSU-Regierung werde die Reform wieder rückgängig machen. Das Gesetz sei "staatspolitisch verfehlt, verfassungsrechtlich bedenklich, in der Praxis nicht vollziehbar". Es werde auch den "legitimen Interessen und dem Mehrheitswillen der deutschen Bevölkerung nicht gerecht", sagte Stoiber. Die deutsche Staatsbürgerschaft müsse am Ende eines Integrationsprozesses stehen, betonte der bayerische Regierungschef. Die Unionsparteien haben nach eigenen Angaben rund fünf Millionen Unterschriften gegen die generelle doppelte Staatsbürgerschaft gesammelt.

Nach den Worten des bayerischen Bundesratsministers Reinhold Bocklet erwägt die CSU jetzt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dazu werde die Landesregierung ein Rechtsgutachten einholen. Die rot-grüne Bundesregierung habe das Gesetz "durch das Parlament gepeitscht" und nicht den Willen der Bundesbürger berücksichtigt, kritisierte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel. Die Unterschriftenkampagne der Union habe der Regierungskoalition eindringlich vor Augen geführt, daß eine Mehrheit der Bevölkerung die Änderungen am Staatsbürgerschaftsrecht"eindeutig ablehnt", erklärte Goppel.

Im Landtag von Baden-Württemberg hat die Republikaner-Fraktion inzwischen einen Antrag eingebracht, der die Landesregierung von Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) auffordert, eine sogenannte Normenkontrollklage gegen das neue Staatsangehörigkeitsgesetz beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der Republikaner, Rolf Schlierer, verstößt das Gesetz sowohl gegen das Prinzip der Volkssouveränität als auch gegen das Demokratiegebot des Grundgesetzes. Damit sei es in zwei zentralen Punkten nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein Kernpunkt der Volkssouveränität sei die freie Entscheidung des Staatsvolkes über seine zukünftige Zusammensetzung. Diese zentrale Frage müsse vom Volk selbst entschieden werden.

Schlierer forderte Ministerpräsident Teufel und Innenminister Thomas Schäuble (CDU) auf, der Unterschriftenaktion in Baden-Württemberg jetzt Taten folgen zu lassen.


 
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