© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/99 21. Mai 1999


Holocaust-Mahnmal: Unionsabgeordnete plädieren für Verzicht
Zweifel sind angebracht
Thorsten Thaler

Michel Friedman, CDU-Politiker in Frankfurt am Main und Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, zeigte sich rechtschaffen empört. Als "Armutszeugnis" kritisierte er den Antrag von 58 Bonner Unionsabgeordneten gegen das in Berlin geplante Mahnmal zum Gedenken an den Holocaust; daß sich in einer der beiden großen Volksparteien "eine nicht geringe Anzahl von Abgeordneten für ein solches Signal entscheidet", sei bedauerlich, meinte Friedman.

In ihrem Antrag plädieren die Parlamentarier von CDU und CSU für einen generellen Verzicht auf die Errichtung des seit zehn Jahren umstrittenen Mahnmals südlich vom Brandenburger Tor in zentraler Berliner Lage. Statt dessen sollte der Bund das dafür vorgesehene Geld den bereits vorhandenen Gedenkstätten zur Verfügung stellen, heißt es in der Begründung (siehe nebenstehende Dokumentation). Initiator des Antrages ist der rheinland-pfälzische Abgeordnete Wilhelm Josef Sebastian (siehe Interview auf Seite 3). Zu den prominenten Unterstützern gehören der frühere Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer und der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Klaus Rose (beide CSU), sowie der ehemalige CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Hans-Otto Wilhelm.

Am vorvergangenen Donnerstag wurde der Gruppenantrag zusammen mit vier anderen Anträgen, die den Bau in verschiedenen Varianten unterstützen, zur weiteren Beratung an den Kulturausschuß des Bundestages überwiesen. Eine Entscheidung will das Parlament nach einer ganztägigen Debatte voraussichtlich am 25. Juni treffen.

Kulturstaatsminister Michael Naumann scheint an dem Ausgang der Abstimmung wenig Zweifel zu hegen. Dem Deutschlandradio Berlin sagte er, für ihn stehe erstens fest, "daß ein Mahnmal gebaut werden wird, und zweitens, daß es in Berlin auf der dafür vorgesehen Fläche gebaut wird". Zuversichtlich äußerte sich auch Michel Friedman. Eine Mehrheit der Abgeordneten werde sich "ihrer geschichtlichen Verantwortung bewußt" sein und für das Holocaust-Mahnmal stimmen.

Die Vorstellung, daß der Bundestag die Errichtung eines Mahnmals auch ablehnen könnte, scheint den Befürwortern abwegig. Dabei hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch im Januar durch ihren kulturpolitischen Sprecher Norbert Lammert erklärt, die Union halte es für denkbar, daß sich das Parlament grundsätzlich gegen den Bau eines Mahnmals ausspricht. Dies sei eine der möglichen Optionen. Der Unionsfraktion gehe es "nicht um eine schnelle, sondern um eine würdige Entscheidung", betonte Lammert.

Unterschiedliche Reaktionen hat unterdessen ein Vorstoß des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf hervorgerufen. Der CDU-Politiker hatte empfohlen, die Entscheidung über das geplante Mahnmal zu verschieben und eine neue Grundsatzdebatte zu führen. "Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif", erklärte er in einem Gespräch mit der Tageszeitung Die Welt. Nach Ansicht von Biedenkopf ist eine neue Diskussion erforderlich, die "ruhig fünf Jahre dauern" könne und an der sich auch die Bundesländer beteiligen müßten. "Wir können doch in einer zentralen geistig-kulturellen Auseinandersetzung nicht so tun, als seien wir ein Zentralstaat", sagte Biedenkopf.

Zustimmung erhielt Sachsens Ministerpräsident von seinen Amtskollegen Bernhard Vogel aus Thüringen und Berlins Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen (beide CDU). Die Ministerpräsidenten Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern, SPD), Gerhard Glogowski (Niedersachsen, SPD) und Roland Koch (Hessen, CDU) lehnten den Vorschlag dagegen ebenso ab wie die Vorsitzende des Kulturausschusses, Elke Leonhard (SPD).

 

Der Antrag

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Auf die Errichtung eines neuen, weiteren Mahnmals in Berlin wird verzichtet. Die vom Bund vorgesehenen Mittel für das Holocaust-Mahnmal sollten für die bestehenden Gedenkstätten zur Verfügung gestellt werden.

Begründung:

Die in Deutschland vorhandenen zahlreichen Mahnmale und Gedenkstätten, insbesondere in Berlin, so zum Beispiel das Jüdische Museum, die Topographie des Terrors und die authentischen Stätten des Gedenkens und Erinnerns wie die ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen und Buchenwald, erfüllen in würdiger Weise die äußeren Voraussetzungen für ein ehrendes Gedenken und Erinnern an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Sie sind zugleich Mahnmal für die lebenden und kommenden Generationen.

Unsere Pflicht ist es, dafür zu sorgen, daß die vorhandenen Gedenkstätten, insbesondere die authentischen Stätten von Terror und nationalsozialistischer Diktatur, in unserem Land auch für kommende Generationen erhalten, finanziell unterstützt und personell hinreichend ausgestattet werden.

Das Gedenken, Erinnern und Mahnen hat für uns heute und in Zukunft weiterhin herausgehobene Bedeutung.

Die Unterzeichner

Aus der CDU: Günter Baumann, Otto Bernhardt, Klaus Brähmig, Monika Brudlewsky, Georg Brunnhuber, Hartmut Büttner (Schönebeck), Hubert Deittert, Jürgen Gehb, Klaus-Jürgen Hedrich, Manfred Heise, Martin Hohmann, Susanne Jaffke, Georg Janovsky, Rainer Jork, Harald Kahl, Norbert Königshoven, Karl-Josef Laumann, Peter Letzgus, Manfred Lischewski, Michael Meister, Norbert Otto, Beatrix Philipp, Marlies Pretzlaff, Helmut Rauber, Peter Rauen, Christa Reichard, Franz Romer, Helmut Schauerte, Norbert Schindler, Clemens Schwalbe, Wilhelm Josef Sebastian, Heinz Seiffert, Bernd Siebert, Hans-Otto Wilhelm, Klaus-Peter Willsch, Werner Wittlich

Aus der CSU: Ilse Aigner, Renate Blank, Albert Deß, Herbert Frankenhauser, Georg Girisch, Wolfgang Götzer, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Klaus Holetschek, Josef Hollerith, Bartholomäus Kalb, Rudolf Kraus, Hans Michelbach, Gerd Müller, Franz Obermeier, Klaus Rose, Kurt Rossmanith, Christian Ruck, Horst Seehofer, Max Straubinger, Matthäus Strebl, Hans-Peter Uhl


 
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