© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/99 21. Mai 1999


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Freundschaft
Karl Heinzen

Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank basiert auf einem Gesetz, das durch eine parlamentarische Mehrheit geändert werden kann. Es war noch Oskar Lafontaine, der den Frankfurter Währungsabwicklern diese Spielregeln in Erinnerung gerufen hatte. Sein Nachfolger Hans Eichel konnte sich nun vom Lernerfolg überzeugen. Der Zentralbankrat hat dem Vorschlag der Bundesregierung auf Erhebung seines Mitgliedes Ernst Welteke zum neuen Präsidenten der Bundesbank zugestimmt. Sein noch bis Ende August amtierender Vorgänger Hans Tietmeyer würdigte diese Personalentscheidung sogar als Zeichen eines hohen Maßes an Kontinuität. Das war nicht nur staatsmännisch devot dahergesagt, sondern nebenbei auch wahr: Tietmeyer selber stand einst für die Chance der Politik, die Bundesbank wenigstens mit geeigneten Personen zu beladen, wenn sie denn schon keinen Einfluß auf die sachlichen Entscheidungen, die dort getroffen wurden, nehmen kann. Hans Eichel ist diesem guten Vorbild gefolgt: Eine Politik, die den Wählerwillen ernst nimmt, darf sich nicht dem Vorwurf aussetzen, in einer Ausweitung demokratisch legitimierten Einflusses Hemmungen an den Tag gelegt zu haben.

Hans Eichel kennt Ernst Welteke seit langen Jahren, wann immer er einen Posten mit ihm besetzen konnte, hat er dies getan. Noch nie mußte er aufgrund dieser menschlichen Zuneigung eine Bauchlandung in der Welt der Tatsachen erleben: So einfach wächst Erfahrungswissen, an dem man schließlich nicht mehr vorbeikommt. Die Berufung Weltekes kann also auch als Plädoyer dafür verstanden werden, die Anonymität der Personalauswahl, zu der die Mechanismen der parlamentarischen Demokratie so schnell verführen, nicht zu übertreiben. Der Zusammenhang zwischen Nepotismus und Mißwirtschaft ist weniger eng, als viele glauben.

Der Zeitpunkt für ein solches Plädoyer ist zudem gut gewählt: Die Deutsche Bundesbank hat unter Ernst Welteke nicht viel zu verlieren. Der Euro ist da, über das Wohl und Wehe unserer Währung wird nun in einem größeren Zusammenhang entschieden. Der Präsident der Bundesbank hat in Zukunft kaum mehr Spielräume als der Chef einer Landeszentralbank. Insofern muß Welteke nicht erst in sein neues Amt hineinwachsen. Etwas zu sagen wird man an der Spitze des Frankfurter Instituts weiterhin haben – allerdings in jenem Sinn, für den der neue Präsident steht: Die institutionelle Macht von einst wird der moralischen Autorität des Neuen weichen, der sein Urteil über die großen Fragen der Zeit weisungsgebunden fällt. Doch auch diese Unabhängigkeit will in Verantwortung genutzt werden. Es gilt, genau die Werte und Überzeugungen zu favorisieren, die fern genug der ökonomischen Praxis sind, so daß sie den Finanzstandort Frankfurt nicht gefährden können. Ernst Welteke ist dies zuzutrauen: Er gehört zu jenen Sozialdemokraten, die längst über keinen Schatten mehr springen müssen.


 
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