© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/99 14. Mai 1999


Ein politisches Debakel
von Dieter Stein

Die Nato erlebt mit ihrem Luftkrieg gegen Serbien ein Desaster sondergleichen. Die nach Albanien geflüchteten Kosovaren haben geglaubt, nach ein bis zwei Wochen wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Nun sind sie im ärmsten Land Europas gestrandet und müssen von Tag zu Tag deutlicher der Realität ins Auge sehen, daß es völlig in den Sternen steht, ob und wann sie wieder zurückkehren können. Niemand versteht die merkwürdige Logik des Nato-Krieges, der mit einem kaum faßbaren Aufwand betrieben wird und alles andere erreicht, als das, was er bezwecken sollte: Vertreibungen zu verhindern und die Rückkehr der Kosovaren zu ermöglichen.

Die Milliarden, die für die sinnlosen Angriffe auf Serbien verpulvert werden und mit denen ein industrialisiertes Land, in Armut und nationale Isolation gebombt wird, könnte die gesamte Region dringend gebrauchen, um den wirtschaftlichen Anschluß an Europa zu bekommen. Eine positive Folge hat die Anwesenheit der Kosovo-Flüchtlinge in Albanien: Endlich interessieren sich ausländische Reporter für ein Land, in dem Menschen wie auf einer Müllkippe leben und das in Anarchie primär von kriminellen Geschäften lebt: Rauschgifthandel, Hehlerei und Diebstahl. Die nun ins Land kommenden Kosovo-Albaner sind weit gebildeter, zivilisierter und haben im Rahmen Jugoslawiens nicht den Charakter des Homo sowjeticus angenommen, den die albanische Variante des Kommunismus in erschütternder Weise hinterlassen hat.

Eines steht jetzt schon so gut wie fest: Die wichtigsten Kriegsziele des Nato-Angriffs werden nicht erreicht. Milosevic scheint fest im Sattel zu sitzen, die Vertreibung wird nicht verhindert und offen ist jede Form der Rückkehr. Wer wird sie in diesem Land durchsetzen? Noch dazu in einer Region, deren Nationalitätenkonflikte gerade durch die gewaltsame Einmischung der Nato noch zugenommen haben. Durch das immer weitere Hochschrauben der Forderungen seitens der Nato wird das Debakel nur noch schlimmer. Es ist die Aufgabe der Diplomaten, für einen eleganten Abgang zu sorgen und denen das Feld zu überlassen, die etwas von dieser Region verstehen. Zu Recht haben hohe Nato-Generäle vor einem Krieg gegen Serbien gewarnt, wenn man nicht ernsthaft zu einem Bodenkrieg bereit und in der Lage ist.

Ein Ordnungsfaktor wurde bisher zu wenig wahrgenommen: die Kirche und kirchliche Organisationen. Deren Hilfe für Flüchtlinge ist vorbildlich. Vielleicht sollte man den Vatikan, der sich von Anfang an besänftigend in dem Konflikt geäußert hat, als Vermittler gewinnen.

 

Dieter Stein, 31, hält sich zur Zeit in Albanien auf, um sich aus erster Hand über die Situation zu informieren. Der Chefredakteur der JF begleitet den ehemaligen Berliner Innensenator und CDU-Politiker Heinrich Lummer, den Vorsitzenden der "Deutschen Konservativen", Joachim Siegerist, und Pfarrer Winfried Pietrek auf einer fünftägigen Reise zu den Flüchtlingslagern im ärmsten Land Europas, das mit den Flüchtlingsströmen aus dem Kosovo die Hauptlast der Kriegsfolgen tragen muß. Einen ausführlichen Bericht lesen Sie in der nächsten Ausgabe der jungen freiheit.


 
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