© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


CD: Johannes Brahms
Tod, Trauer, Trost
Julia Poser

Unter einem Requiem versteht man die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Totenmesse der römisch-katholischen Kirche mit einem über die Jahrhunderte festgelegten lateinischen Text. Brahms hat sich für sein "deutsches Requiem" jedoch deutsche Bibeltexte aus dem Alten und Neuen Testament selbst ausgewählt und vertont. Dabei knüpft er an die protestantische Tradition der "Musikalischen Exequien" von Heinrich Schütz (1636) an. Die von Brahms zusammengestellten Verse sprechen von Tod, Trauer und Trost, von der Vergänglichkeit des Lebens, aber auch von der freudigen Gewißheit des Weiterlebens nach dem Tode.

Fast zehn Jahre, mit Unterbrechungen, hat Johannes Brahms, der 1833 in Hamburg geboren wurde, um sein "deutsches Requiem" gerungen. Der stets von Selbstzweifeln geplagte Komponist verwarf vieles und experimentierte mit neuen Ideen, um schließlich 1869 die siebensätzige Fassung zu vollenden. Bereits am Karfreitag 1868 hatte dieses Werk von einzigartiger Klangschönheit, sinfonischer Weite und lyrischer Zartheit in der sechsteiligen Fassung im Dom von Bremen eine erfolgreiche Uraufführung erlebt. Später fügte Brahms noch das Sopran-Solo "Ihr habt nun Traurigkeit" als fünften Satz in die endgültige Fassung ein.

Die Stuttgarter CD-Firma Carus hat eine ergreifende Aufnahme des "deutschen Requiems", vom Dirigenten Frieder Bernius geleitet und mit dem bewährten Kammerchor Stuttgart, auf 2 CDs aufgenommen. Den ersten Satz "Selig sind, die da Leid tragen" nimmt Bernius mit stiller Zurückhaltung und großer Innigkeit. Im zweiten Satz "Denn alles Fleisch ist wie Gras" läß der Dirigent den Hörer deutlich die Bewunderung Brahms’ für Händel und Bach erkennen, vor allem im düsteren Trauermarsch und in der abschließenden Fuge. Aus dem 39. Psalm nahm Brahms den Text für den dritten Satz "Herr, lehre doch mich, das Ende mit mir haben muß" – eine ergreifende Klage über die Nichtigkeit allen menschlichen Seins und Tuns, stilsicher von dem Bariton Michael Volle gesungen. Geradezu freundlich und tröstlich gestaltet dagegen Bernius den vierten Satz "Wie lieblich sind deine Wohnungen" wie auch den später eingefügten fünften Satz, der ein vom Chor eingerahmtes Sopran-Solo enthält. Warmherzig und wie eine Stimme vom Himmel klingt Julia Borcherts "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet". Furioser Höhepunkt des Requiems ist der wuchtige sechste Satz "Denn wir haben hie keine bleibende Statt". In der Schreckensvision des Jüngsten Gerichts, ebenbürtig dem "Dies ira" aus Mozarts oder Verdis Requiem, erreicht der Chor in "Tod, wo ist dein Stachel! Hölle, wo ist dein Sieg!" zusammen mit gewaltigen Posaunenklängen stimmliche Höchstleistungen. Friedvoll und trostreich klingt mit "Selig sind die Toten, die in dem Herren sterben" dieses große Chorwerk aus.

Die Klassische Philharmonie Stuttgart und der Kammerchor Stuttgart, die schon über zehn Jahre zusammenwirken, bilden eine bewundernswerte Einheit. Großartig ist die wandlungsfähige Darstellungskraft von Chor und Orchester in den weichen, weit schwingenden Passagen, im fast marschmäßigen Totentanz und im versöhnlichen Schluß, der die Stimmung des ersten Satzes wieder aufnimmt.

Unter den zahlreichen Interpretationen von Brahms’ Chorwerk gehört diese neue Aufnahme zu den besten.


 
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