© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


Bundeswehr: Verteidigungsminister Scharping setzt Zukunftskommission ein
Berufsverband ist ausgeschlossen
Matthias Seegrün

Am 3. Mai hat Verteidigungsminister Scharping in Bonn die von ihm berufene Kommission "Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr" eingesetzt. Zudem wurde eine von den Abteilungen und Führungsstäben des Verteidigungsministeriums erarbeitete umfassende Bestandsaufnahme der Bundeswehr vorgestellt. Die 4.000 Seiten umfangreiche Studie analysiert und bewertet die personelle, finanzielle, materielle und organisatorische Lage der Bundeswehr. Die auch dem Deutschen Bundestag übermittelte Bestandsaufnahme ist Grundlage der Arbeit der Kommission, die unter der Leitung des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker untersuchen soll, wie die Bundeswehr im Rahmen umfassender Sicherheitspolitik ihre Aufgaben künftig wahrnehmen kann.

Ihr gehören unter anderem Vertreter der Kirchen wie der Präsident der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Schmude, nicht mehr aktive Generale wie Peter-Heinrich Carstens, Vertreter der Wirtschaft wie das Vorstandsmitglied der Daimler Chrysler AG, Cordes, die Politikwissenschaftler Haftendorn und Steinbach sowie Vertreter der Politik wie Lothar de Maizière (CDU) und Richard Schröder (SPD) sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, an.

Bis zum 15. September 2000 soll diese nach dem Willen Scharpings ein weites Spektrum aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft repräsentierende Kommission, die sich auf externe Experten und die fachliche Zuarbeit des Verteidigungsministeriums stützt, ihre Empfehlungen zur langfristigen Entwicklung der Bundeswehr vorlegen und die Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft auch nach ihrer Neuausrichtung sicherstellen. Die Empfehlungen für eine künftige Bundeswehrstruktur sollen Aussagen über Aufgabenzuordnung, Umfang, Wehrform, Ausbildung und Ausrüstung einschließen. Auch die Wehrpflicht wird also zur Diskussion gestellt.

Grundlage der Arbeit der Kommission soll allerdings nach Bundeswehrquellen die Einbindung Deutschlands in die Nato, aber auch die Verstärkung der außen- und sicherheitspolitischen Fähigkeiten der Europäischen Union und die Unterstützung der Vereinten Nationen, der OSZE und der Programme für Partnerschaft und Kooperation durch Deutschland sein.

Unterdessen hat der Deutsche Bundeswehr-Verband Kritik an der Konzeption des Verteidigungsministers geübt, eine Kommission ohne Beteiligung des Berufsverbandes der Soldaten einzusetzen und mit der Gründung eines eigenen Expertengremiums reagiert. Nach Aussagen des Verbandsvorsitzenden Oberst Gertz hatte Scharping dem Verband zunächst zugesichert, an der Kommission mitwirken zu können. Inzwischen hätten ihn "offensichtlich wichtige Gründe bewogen, eine andere Entscheidung zu treffen", erklärte Gertz. Der Verband habe deshalb beschlossen, in einer eigenen Kommission "nach öffentlichen Beratungen und nicht hinter verschlossenen Türen klare Forderungen und klare Zielsetzungen" zu formulieren. Man wolle die Kommission des Verteidigungsministers unter Vorsitz von Altpräsident von Weizsäcker "vor sich her treiben".


 
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