© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


Doppelpaß im Blitzkrieg
von Wolfram Rau

Geschickt eingefädelt: Während ganz Deutschland nur noch "Kosovo" sieht, hört und denkt, jagen die rotgrüngelben Doppelpaß-Koalitionäre ihre umstrittene Staatsbürgerschaftsnovelle an diesem Freitag durchs Parlament. Eine Sturzgeburt, im Schutze von (Bomben-) Nacht und (Pulver-) Nebel zur Welt gebracht.

Wie eilig sie es hatten, bringt allein die Unausgegorenheit des Gesetzentwurfs an den Tag. Welches Privat- und Familienrecht in Doppelpaß-Ehen gilt, wie der Status von Neuhalbdeutschen nach dem 23. Lebensjahr aussieht, wenn sie ihre ausländische Staatszugehörigkeit nicht abgeben wollen, oder wie es mit dem Wahlrecht vor dem Jahr der Entscheidung steht – das alles und noch mehr soll erst im Herbst geklärt werden. Kritikern, denen die ganze Richtung nicht paßt, wird dann entgegengehalten werden, daß "die Entscheidung im Grundsatz doch längst gefallen ist".

Merkwürdig flau ist die Reaktion der Christdemokraten. Der Verdacht erhält Nahrung, daß die Unionisten – ungeachtet des schönen Sieges von Hessen – über den grandiosen Erfolg ihrer Unterschriftenaktion mehr erschrocken als erfreut sind. Zahlreichen CDU-Oberen war die Sache ohnehin nur peinlich, anderen erschien dieser Ausflug ins Plebiszitäre im Grundsatz verdächtig.

Stünde die Union auch nur halb so entschlossen hinter der Anti-Doppelpaß-Kampagne, wie Stoiber es gern hätte, wären die vergangenen Wochen von einem spektakulären Endspurt der Unterschriftensammlung geprägt gewesen. Statt dessen bereicherten Serben-Demos und "revolutionäre" Mai-Randale das Straßenbild.

Für die Ablehnung der eigenen Unterschriftenaktion stehen Namen wie Ole v. Beust oder Horst Eylmann – und natürlich das Süssmuth/Geißler-Gespann nebst Anhang. Um diese nicht zu verprellen, kocht der Taktierer Schäuble seine Kritik lieber auf kleinerer Flamme, als es die Entscheidung eigentlich gebietet.

SPD, FDP und Grüne scheinen nun am Ziel ihrer multikulturellen Visionen. Das "deutsche Volk", als politischer Begriff längst unter Faschismus-Verdacht gestellt, erlangt nun auch staatsrechtlich musealen Charakter. Auch erhofft sich die deutsche Linke, bei der Wahlentscheidung der Doppelpaßbürger den großen Reibach zu machen. Wenn sie sich da mal nicht täuscht. Über kurz oder lang werden die größeren Ausländergruppen eigene Parteien bilden. Zu Beginn der 90er Jahre hatte der Frankfurter Multikultur-Stadtrat Cohn-Bendit eine Art Ausländerparlament aufgezogen. Doch statt sich artig in Vielvölkerfraktionen einzureihen, bildeten sich sofort nationale Gruppen. Als Mehrheitsbeschaffer benötigt, könnten solche Parteien starker Ausländergemeinden den zerstrittenen Deutschen bald ihre Bedingungen stellen.


 
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