© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/99 30. April 1999


Zeitschriftenkritik: "Kameraden"
Brücken schlagen
Kai Guleikoff

Im November 1953, acht Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, erscheint erstmalig die Soldatenzeitschrift Alte Kameraden als Organ der Kameradenwerke und Traditionsverbände der ehemaligen Deutschen Wehrmacht. Ihre Ziele bestehen bis heute in der Pflege der Kameradschaft, in der Verbreitung geschichtlicher Fakten über die Kriegsgeneration und in der Wahrung der Bindung zwischen ehemaligen Wehrmachtssoldaten und den Soldaten der Bundeswehr. Seit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990, sind nun auch die mitteldeutschen Soldaten und die Ehemaligen der NVA als Leser und Autoren vertreten. Diese "Osterweiterung" schließt auch die ehemaligen Kriegsgegner des Zweiten Weltkrieges ein.

Beeindruckend ist der Versuch, die Veteranen der Roten Armee in das Gemeinschaftswerk ohne Schuldzuweisungen und Demütigungen einzubeziehen. Als "kleinster gemeinsamer Nenner" wird folgende Aussage verwendet: "Die tapferen Soldaten der Roten Armee haben verhindert, daß der Diktator Hitler der Herr Europas wurde. Die tapferen Soldaten der Wehrmacht haben verhindert, daß der Diktator Stalin der Herr Europas wurde. Die Opfer waren nicht umsonst. Die Überlebenden reichen sich die Hände."

Die schlichte Wortwahl dieser "Minsker Formel" kennzeichnet die Erlebnisgeneration in soldatischer Geradlinigkeit. Das Schließen alter Wunden ist schwer. In der aktuellen Ausgabe vom April 1999 (Heft 539) muß erklärt werden, daß russischerseits die Einweihung des deutschen Soldatenfriedhofes in Rossoschka (Schlachtfeld von Stalingrad) verboten wurde. Das kommunistisch beherrschte Parlament des Gebietes Wolgograd hatte zuvor u.a. erklärt: "Der Friedhof ist ein Denkmal für faschistische Okkupanten. Deutschland beteiligt sich erneut an einer Intervention in Jugoslawien. Dem slawischen Brudervolk dürfen wir nicht in den Rücken fallen."

Eine Seite weiter findet sich eine Pressemitteilung vom 23. März 1999 unter der Überschrift: "Helmut Rauber siegt vor Gericht gegen die Anti-Wehrmacht-Aussteller". Das Landgericht Saarbrücken hatte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, der von Jan Philipp Reemtsma gestellt wurde. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Helmut Rauber darf weiter behaupten, daß bei rund 90 Prozent der in der Wehrmachtsausstellung gezeigten Bilder exakte Quellenangaben fehlen und daß dadurch die Ausstellung insgesamt in den Verdacht der bewußten Manipulation gerät.

Allein diese Beispiele zeigen die schwierige Stellung des deutschen Soldaten in der Gegenwart. Selbst modernste Waffen können nicht den Sieg in einem militärischen Konflikt bringen, wenn dem Waffenträger das Heimatgefühl abhanden gekommen ist. Hier will die unabhängige Zeitschrift Kameraden Trommler sein. Der Angehörige der Bundeswehr soll wieder "Soldat im Volk" werden. Deshalb wurde im Jahr 1997 der Name Alte Kameraden in Kameraden geändert. Es gilt jetzt, mit vielen Gleichgesinnten Brücken zu schlagen zur jungen Generation der Bundeswehr, die zuwenig über die Generation des Krieges und Nachkrieges weiß. Es gilt Brücken zu schlagen zu den früheren Gegnern, die zum Teil noch ein durch Propaganda verzerrtes Bild von den ehemaligen deutschen Soldaten haben. Erfreulicherweise kommt dieser Prozeß schneller zustande, als vielfach von den Kameradenwerken und Traditionsverbänden erwartet wurde.

Die Darstellung der ehemaligen NVA der DDR als deutsche Armee leistet einen wichtigen Beitrag im Wiedervereinigungsprozeß, zumal immer mehr Zeit- und Berufssoldaten aus den neuen Bundesländern zum Auslandseinsatz befohlen werden. Innerhalb von wenigen Monaten verschwand die Redensart "Soldaten sind Mörder" und wurde "ersetzt" durch das althergebrachte "unsere tapferen Soldaten". Zu Recht kommentiert Ritterkreuzträger Hans-Jörg Kimmich dazu im April-Heft: "Da bekommen wir Alten einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Denn ob ’Mörder‘ oder ’tapferer Soldat‘, das kann doch wohl nicht von der Couleur der zuständigen Minister abhängen. (…) Minister können z.B. im Zweifel zurücktreten, Obergefreite können das nicht."

"Kameraden" erscheint monatlich mit zwei Doppelheften im Jahr und wird von der Arbeitsgemeinschaft für Kameradenwerke und Traditionsverbände e.V. (Tübinger Straße 12–16, 70178 Stuttgart) herausgegeben. Das Einzelheft kostet 9 DM, das Jahresabo inkl. Porto 73 DM.


 
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