© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/99 30. April 1999


CD: Pop
Dudelfunker
Holger Stürenburg

Daß die Musik der 80er Jahre seit einiger Zeit eine erfolgreiche Rückkehr feiert, haben inzwischen sogar spätgeborene Teenies mitbekommen. Nachdem jedoch zunächst damalige Mainstream-Acts wie Modern Talking oder Culture Club wiederauferstanden sind, wagen sich nun auch die "Spezialisten" der kühlen Dekade mit aktuellen Produktionen auf den Markt. Viele der einst kassenfüllenden Stars der späten 70er bis mittleren 80er Jahre sind inzwischen bei der Hamburger Independent-Firma "Eagle Records" unter Vertrag und hoffen, dort Anschluß an das Musikgeschehen der heutigen Zeit zu finden. Bevor nun in diesen Tagen die Rock’n’Roll-Haudegen Status Quo ein Eagle-Album veröffentlichen und sich die zu Unrecht unterschätzten Thunder  revitalisieren, sind jetzt neue CDs zweier Synthi-Pop-Helden der 80er Jahre erschienen.

Der erste ist Nik Kershaw, dessen Hits "Wouldn’t it be good" und "The Riddle" 1984/85 auf nahezu jedem Schulhof der westlichen Welt geträllert wurden. Kershaw wollte mit seinem 86er-Album "Radio Musicola" erwachsen werden, aber bereits sein viertes (und zunächst letztes) Album "The Works" (1989) konnte trotz hervorrragender Kompositionen kein Hit mehr werden. Erst zehn Jahre später tritt der einstige Teenieschwarm wider Willen mit einem neuen Album an die Öffentlichkeit: "15 Minutes" zeigt erstmals einen sehr persönlichen Texter Nik Kershaw (wie in "Find me an Angel"). Während Kershaw in den 80ern, wie er selbst sagt, ausschließlich aus Gründen des damaligen musikalischen Zeitgeistes New Romantic-Pop und Synthi-Klängen gefrönt hat, stellt er auf "15 Minutes" vor allem seine Fähigkeiten als Gitarrist in den Vordergrund. Dies hat zur Folge, daß zwar Pop-Oden wie "Somebody loves you" oder "Your brave face" sanft vor sich hin rocken, ihm aber Allzeit-Klassiker wie früher nicht mehr gelingen wollen.

Alles in allem freut man sich jedoch über dieses Lebenszeichen von Nik Kershaw, auch wenn man sich wünschte, daß seine aktuellen Lieder nicht meist so klängen, als hätte er sie im Auftrage von Dudelfunk-Radiosendern geschrieben. Ein bißchen mehr Mut und musikalische Innovation hätten "15 Minutes" durchaus gut gestanden.

Auch Robert Palmer, dem schnieken "Björn Engholm des Rock", gelingt auf seinem neuen Album "Rhythm’n’ Blues" keine Düsterhymne mehr wie "Johnny and Mary" (1980), kein cooler Funkrock wie "I didn’t mean to turn you on" (1985) und auch keine Regenwetter-Ballade wie "She makes my day" (1988). Palmer hat im Gegensatz zu Kershaw bis heute regelmäßig Alben veröffentlicht, huldigte auf denen verschiedenen Stilformen zwischen Pop-Reggae, Heavy-Metal, Ethno-Klängen und – in den letzten Jahren zunehmend – Big Band Jazz, Swing und Cool Jazz, was jedoch öffentlich kaum wahrgenommen wurde.

In Deutschland und Italien aufgenommen, präsentiert "Rhytm’n’ Blues" eine Mischung aus heißem amerikanischem Soul und eleganter britischer Gediegenheit. Palmers Stimme ist immer über-cool, wenn er sich durch selbst komponierte Popblues-Stücke wie "True Love", "Stone Cold" oder "Work to make it Work 99" funkt und knödelt. So scheint auch hier der mentale Auftraggeber der NDR 2 gewesen zu sein; das witzige "Tennis" ist die einzige Nummer, die mit Palmers früheren Klassikern in Konkurrenz treten könnte. Der Rest ist gefällige, aber oft recht fade Popmusik.


 
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