© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/99 30. April 1999


Lebensschutz: Europäischer Marsch für das Leben von Maastricht nach Bonn
Viele Schritte für die Ungeborenen
Martina Zippe

Wir sind von der Heiligkeit des Lebens und seiner unantastbaren Würde überzeugt", so ein Credo der Teilnehmer am ersten "Europäischen Marsch für das Leben", der vom 5. bis 10. April von Maastricht nach Bonn ging und dort mit einer großen Abschlußkundgebung endete. Die Teilnehmer sprachen sich strikt gegen die Tötung der ungeborenen Kinder vom Augenblick der Empfängnis an aus, sofern nicht das Leben der Mutter unmittelbar auf dem Spiel steht. Folglich soll die Bundesregierung dem Antrag auf Zulassung der Abtreibungspille nicht zustimmen, so ihre Forderung.

Der "Europäische Marsch für das Leben" entstand aus einer Privatinitiative einiger junger Christen. Nina Heereman, 26jährige Studentin aus Meerbusch, und ihre Freunde wollen keine "amputierte Gesellschaft, die das kranke, behinderte und nicht maßgeschneiderte Leben wegrationalisiert". Dabei sind sie weit davon entfernt, in eine resignierende Ohmacht zu verfallen. Sie glauben im Gegenteil, daß ihre Generationen nicht in der "Eiswüste" leben möchte, wie sie die jetzige hinterläßt. Statt dessen wollen sie "eine selbstlos gelebte Liebe, die einen anderen um seiner selbst willen akzeptiert und nicht ob seiner genetischen Perfektion".

Die fünftägige Demonstration vom holländischen Maastricht nach Bonn fand mit etwa 200 Teilnehmern aus neun Nationen einen ersten großen Zuspruch. Dem Aufruf folgten in der Sache auch einige Geistliche, Politiker, Wissenschaftler, Künstler und Prominente aus dem In- und Ausland. Fürstin Gloria von Thurn und Taxis unterstützt beispielsweise das Anliegen der Lebensschützer, weil auch sie auf die Situation der Schwächsten in der Europäischen Union hinweisen wolle: "Das ungeborene Kind wird mit viel weniger Enthusiasmus und Engagement geschützt als zum Beispiel Flora und Fauna in breitangelegten Reservaten." Des weiteren unterstützten die Aktion die Bundestagsabgeordnete Monika Brudlewsky, Thomas U. Demel, Vorsitzender der Paneuropa-Jugend Deutschland, Eduard Berger, Evangelischer Landesbischof von Pommern, Kardinal Joachim Meisner, Erzbischof von Köln, Alfonso Cardinal Lopez Trujilo, Vorsitzender des Päpstlichen Rats für die Familie, und Reinhard Marx, Weihbischof in Paderborn.

Am Ostermontag begann die Veranstaltung in Maastricht mit einem Eröffnungsgottesdienst in der Basilika des Heiligen Servatius. Es sprach der Weihbischof von Maastricht, Everard de Jong, der auch die erste Tagestour mitwanderte. Er nannte die Zahl von weltweit 50 Millionen Abtreibungen pro Jahr. Die Ursache sei eine Angst vor dem Leiden. In seiner Ansprache bewegte ihn daher die Frage, wie sich Leben und Leid versöhnen ließen. Über diese nachdenklich stimmende Predigt sprachen die Teilnehmer auch während der Wanderung am folgenden Tag.

Vor etwa 100 Zuhörern hielt der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt seine erfrischende Ansprache über den "politischer Auftrag der Christen". Er machte darauf aufmerksam, daß im Maastrichter Vertrag eine erste Aufwertung der Rechte des Europaparlamentes begonnen habe, die mit dem Amsterdamer Vertrag fortgesetzt werde. 50 bis 70 Prozent der innenpolitischen Entscheidungen würden bereits durch das Parlament in Straßburg beeinflußt. Es gebe keine festen Mehrheiten, daher sei als Lebensschützer viel zu erreichen, "wenn man queruliere". Er habe es geschafft, eine Patentierungsrichtlinie auf menschliches Leben zu Fall zu bringen und eigene Lebensschutz-Forderungen durchzusetzen. Dabei gehe er auf Abgeordnete aller Fraktionen zu, um Mehrheiten zustandezubringen. Auch die Möglichkeiten der Einflußnahme seien weit größer, als man denke. "Wir Politiker sind gewohnt, daß sich keine Katz dafür interessiert, wie wir abstimmen", betonte Posselt und rief seine Zuhörer dazu auf, Politiker auf ihr Stimmverhalten hin zu prüfen. Den Marsch der Lebensschützer bezeichnete er als "Anfang einer positiven Lawine", die wir dringend bräuchten.

Als teilnehmende Gruppe waren unter anderem Mitglieder der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) vertreten, einer Lebensschutzorganisation mit über 10.000 Mitgliedern und Regionalverbänden im ganzen Bundesgebiet, die auch praktische Hilfe anbietet, beispielsweise die Vermittlung von kostenlosen Babysittern und finanziellen Patenschaften für Mütter und Familien in Not. Ansonsten waren unterschiedliche christliche Gruppen vertreten, so daß sich – zwischen Gitarrenklägen und Rosenkranzbeten – eine Fülle interessanter Gespräche ergaben, die immer wieder durch Vorträge ergänzt wurden. Am Abend des 7. April referierte etwa im Franziskanerkloster in Vossenack die junge Ärztin und ALfA-Bundesvorsitzende Claudia Kaminski über die umstrittene Abtreibungspille "RU 486", die für das Ungeborene einen tagelangen Todeskampf bedeutete.

140 km waren in der Osterwoche von den Teilnehmern zurückgelegt worden. Die etwa 400 Teilnehmer der Abschlußkundgebung richteten einen Appell an die Bundesregierung, das Menschenrecht der Ungeborenen zu achten: "Wir beobachteten, daß das Bewußtsein für den Wert des Lebens in unserer Gesellschaft auf erschreckende Weise zurückgegangen ist. Immer mehr macht sich die Tendenz breit, über das menschliche Leben zu verfügen. Wir sind der Meinung, daß die Zulassung der Abtreibungspille RU 486 dieser Entwicklung einen weiteren Vorschub leisten und mehr als bisher den Eindruck erwecken würde, als gäbe es ein Recht auf Abtreibung, das über dem Lebensrecht des Kindes steht." Für das Jahr 2000 ist ein Marsch von Polen nach Berlin im Gespräch.

 

Weitere Informationen sind erhältlich bei: ALfA-Bundesgeschäftsstelle, Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg, Tel.: 08 21 / 51 20 31, oder: "Jugend für das Leben", Nina Heereman, Ossum 13, 40668 Meerbusch, Tel.: 0 21 59 / 88 81


 
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