© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Zeitschriftenkritik: "Mitteilungen"
Geschichtlich denken
Werner Olles

Die Mitteilungen sind das zwei- bis vier-mal jährlich erscheinende Periodikum der "Gesellschaft für Kulturwissenschaft e.V." im badischen Bietigheim. Seit 19 Jahren tritt man hier "für die geistig-ethische Erneuerung unserer Kultur, und damit des Staatswesens" ein. Unabhängig von Parteien und Verbänden findet diese Arbeit im präpolitischen Raum statt. Inzwischen haben die Gesellschaft und ihr Mitteilungsblatt Leser und Korrespondenten in Österreich, den Niederlanden, in der Ukraine und in Rußland, wo überall entsprechende Aktivitäten entwickelt wurden. Im Mittelpunkt steht der deutsche Sozialphilosoph Günter Rohrmoser. Dessen Aufsätze, Referate und Bücher werden nicht nur von den Akademien der Wissenschaften Rußlands, Chinas und der Ukraine hoch geschätzt , deren Philosophen seine Diagnosen, Prognosen und Analysen leidenschaftlich diskutieren. Sie sehen in ihm den "größten Philosophen des neuen Konservativismus in Deutschland".

Ähnlich wie bei uns ist auch die junge Generation in Rußland und der Ukraine weitgehend vom Pragmatismus und Zynismus infiziert und durchlebt eine moralische Krise. Diese ist, darin sind sich die jungen Intellektuellen einig, die jetzt unter Rohrmosers Einfluß ihre Weltanschauung gestalten, eine allgemeine und tiefe Krise der Kultur unserer gemeinsamen Zivilisation. Rohrmoser geht dabei von den drei zentralen Themen des konservativen Bewußtseins – Nation, Geschichte und Religion – aus und analysiert die fundamentale Problematik der Dekadenz des Christentums und der europäisch-westlichen Kultur. Völlig zu Recht beruft er sich auf die großen deutschen Philosophen Lessing, Kant, Fichte, Schelling und Hegel, für die das Christentum die Substanz war, aus der alle Freiheitsresultate der Weltgeschichte gewachsen sind.

Vor allem die Deutschen müßten wieder lernen, geschichtlich zu denken und die geistig erstarrte, dumpfe und provinzielle Atmosphäre aufzubrechen. Im ex-kommunistischen Rußland und im noch-kommunistischen China konnte Rohrmoser erleben, daß dortige Politiker und Wissenschaftler viel weniger Angst vor konservativem Denken haben, als dies im "quasitotalitären Liberalismus" Deutschlands der Fall ist, wo sich eine gewisse Form "hyperlibertärer Liberalität" breit gemacht habe.

Die Existenz einer konservativen Bewegung wird konstatiert, allerdings auch, daß Konservativismus "keine Ideologie" ist, sondern eine Weise, die "Wirklichkeit im Blick zu behalten". Konservativ sei das Beharren auf einer "eigenen kulturellen und religiösen Identität jeder konkreten Nation". Angesichts der Kapitulation der linken Utopien und der Sinnkrise Europas könnte die konservative Herausforderung zu einer Schicksalsfrage werden.

 

"Mitteilungen" erscheinen zwei- bis viermal jährlich. Einzelheft 10 DM, Jahresabo 25 DM. Anschrift: Gesellschaft für Kulturwissenschaften e.V., Ahornweg 5a, 76467 Bietigheim/Baden


 
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