© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Richard Löwenherz: Englischer König, Kreuzfahrer und Sagenheld
Nur mit der Sprache haperte es
Hartmut Jericke

Spätestens mit Walter Scotts historischem Ritterroman "Ivanhoe" wurde Richard Löwenherz zum unsterblichen Helden unter Englands Königen des Mittelalters. Sein bewegtes Schicksal rührt seither Generationen. In zahllosen Abenteuer- und Ritterfilmen, in Romanen und Comics ist er der Prototyp des tapferen, gerechten und klugen Königs, der Idealtypus des mittelalterlichen Ritters und Kreuzfahrers. Der historische König Richard kann diesem schönen Bild allerdings nur bedingt gerecht werden.

Als Sohn König Heinrichs II. Plantagenet und dessen Gattin Eleonore von Aquitanien wurde er am 8. September 1157 in Oxford geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in den Besitzungen seines Vaters in Frankreich. Nach dem Tod Heinrichs wurde er als Richard I. am 3. September 1189 in der Abtei Westminsters gekrönt. Schon drei Monate später verließ er die Insel, um sich in den französischen Territorien Englands auf den Kreuzzug zur Wiedereroberung Jerusalems vorzubereiten. Bei Vezelay in Burgund versammelten Richard und der französische König Philipp August im Sommer 1190 ihre Heere. Im September trafen die Kreuzfahrer in Messina auf Sizilien ein. Das rücksichtslose Auftreten der Engländer führte schnell zu Spannungen. Nach offenen Streitigkeiten mit den Bürgern stürmte Richard kurzerhand die Stadt. Seinen berühmt gewordenen Beinamen "Löwenherz" soll er hier erworben haben. Die Kreuzfahrer überwinterten auf Sizilien. Im April 1191 verließen die englischen Truppen nach den Franzosen die Insel. Auf dem Weg nach Palästina eroberte Richard die unter byzantinischer Herrschaft stehende Insel Zypern und verkaufte sie zur Finanzierung des Feldzugs gleich wieder an den Templerorden. Im Mai 1191 heiratete er Berengaria von Navarra. Wenig später trafen die Engländer dann in Akkon ein. Während der folgenden 16 Monate führte Richard einen erbitterten Kampf mit wechselndem Kriegsglück um die Rückeroberung Jerusalems. Gekämpft wurde tapfer, aber auch grausam. Fast 3.000 muslimische Gefangene ließ der englische König nur deshalb hinrichten, weil das Lösegeld für ihre Freilassung nicht rechtzeitig eintraf. Das Ziel des Kreuzzugs, die Wiedergewinnung der Heiligsten Stätten, wurde indes nicht erreicht. Der Kriegszug endete mit einem Waffenstillstand. Jerusalem verblieb den Muslimen.

Philipp August hatte sich mit Richard vollständig überworfen und war schon im Sommer 1191 nach Frankreich zurückgekehrt. Nach seiner Heimkehr verschwor er sich mit Richards Bruder Johann, um in den Besitz englischer Gebiete auf dem französischen Festland zu gelangen. Richard wollte daraufhin so schnell wie möglich nach Hause. Durch seine Parteinahme für den sizilischen Herrscher Tankred galt er dem deutschen Kaiser Heinrich VI. als erklärter Gegner, da dieser das sizilische Königreich als Erbe seiner Gattin selbst beanspruchte. Als der englische König im Herbst 1192 nun versuchte, über Reichsterritorium zurückzukehren, wurde er kurz vor Weihnachten in der Nähe Wiens vom österreichischen Herzog Leopold V. gefangengenommen. Vor Akkon hatte Richard den deutschen Reichsfürsten auf das schwerste beleidigt. Er soll ihn aus seiner Unterkunft verwiesen haben. Der König wurde zunächst auf Burg Dürnstein an der Donau interniert und wenig später an Kaiser Heinrich ausgeliefert. Am kaiserlichen Hof war er in ehrenvoller Haft und durfte sich frei bewegen. Für wenige Wochen während seiner Gefangenschaft wurde er auf dem Trifels bei Annweiler in der Pfalz untergebracht.

Richard sollte, so die Absicht des Kaisers, seine Unterstützung für den sizilischen Usurpator dadurch wiedergutmachen, daß er den bevorstehenden kaiserlichen Feldzug zur Eroberung Siziliens mitfinanzierte. Immer wieder wurde über seine Freilassung verhandelt. Die Lösegeldforderungen waren geradezu ungeheuerlich und wurden mehrmals modifiziert. Bis zuletzt versuchten die Widersacher Richards, Philipp August und sein Bruder Johann, durch immer neue Angebote die Freilassung des Königs zu verhindern. Zuletzt erklärte er sich bereit, die kaiserlichen Bedingungen zu erfüllen und den Kaiser als Lehensherr über sein Königreich anzuerkennen. Nach etwas mehr als einem Jahr wurde Richard am 4. Februar 1194 in die Freiheit entlassen.

Die Gefangenschaft war eine Demütigung gewesen. Im Anschluß an seine Rückkehr nach England ließ sich Richard im April 1194 daher nochmals in Winchester krönen, um an seiner königlichen Legitimität keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen. Dann verließ er England, um die nächsten fünf Jahre mit großem Erfolg gegen Philipp August um die englischen Besitzungen in Frankreich zu kämpfen. Ende März 1199 traf ihn bei der Belagerung der Burg Chalus der Pfeil einer Armbrust in die Schulter.

Vor 800 Jahren, am 6. April 1199, zwölf Tage nach seiner Verwundung, erlag er seinen Verletzungen. In seiner Art war er der am wenigsten englische unter Englands Königen gewesen. In den zehn Jahren seiner Regierung verbrachte er gerade sechs Monate in England. Er kannte weder Land noch Leute und sprach auch nicht die englische Sprache. Seine Muttersprache war Provencalisch. Dennoch gilt er als einer der berühmtesten englischen Könige. In seiner "Geschichte der Kreuzzüge" hat ihn der englische Historiker Steven Runciman charakterisiert: "Er war ein schlechter Sohn, ein schlechter Gatte und ein schlechter König gewesen, aber ein kühner und großartiger Krieger."


 
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