© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


USA: Wie freiheitliche "think tanks" die politische Landschaft verändern
Zurück zu Smith und Jefferson
André Freudenberg

Seit jeher sind Amerikaner bekannt dafür, individueller Freiheit und der damit verbundenen persönlichen Verantwortung bei gleichzeitig stark ausgeprägtem Mißtrauen gegenüber dem Staat ("the government") einen enormen Stellenwert einzuräumen. Das gab einem politischen Lager Auftrieb, das in Deutschland nahezu unbekannt, in den USA jedoch ungebrochen populär ist: den Libertarians, in Deutschland auch als "klassische Liberale" bezeichnet. Sie haben mit den Liberals in den USA jedoch nur sehr wenig gemeinsam, da diese jenseits des Atlantiks als "links" gelten. Die Libertarians dagegen werden, oft aus Unkenntnis, manchmal absichtlich, als "weit rechts stehend" angesehen, was nur teilweise zutrifft. Denn die Libertarians grenzen sich ihrerseits deutlich ab von den nationalen oder wertkonservativen Auffassungen großer Teile der Republikaner, insbesondere der "social conservatives" um Patrick Buchanan, der wohl populärsten Figur im rechten Spektrum der Republikaner.

Einfluß auf die öffentliche Meinung haben die Libertarians aber weniger durch parteipolitische Aktivitäten. Zwar gibt es eine Libertarian Party, die nach den etablierten Demokraten und Republikanern die drittstärkste Partei des Landes ist. Das Programm der Libertarian Party besteht im wesentlichen in der Forderung nach "Free Choice of Everything" (freie Wahl in allem). Das gilt nicht nur für den Bereich der Wirtschaft. Unter dem Programmpunkt "Gewalt, Kriminalität und Drogen" wird ausgeführt, daß "die Rechte und die Interessen des Opfers" die Grundlagen des Rechtssystems sein sollen. So soll Kriminellen auferlegt weden, dem Opfer vollständige Entschädigung zu zahlen, auch für den Verlust des Eigentums und die medizinischen Kosten. Gleichzeitig soll durch Drogenlegalisierung und die Entkriminalisierung Drogenabhängiger der chronischen Überfüllung von Gefängnissen begegnet und damit eine wirkungsvollere Bestrafung Krimineller erreicht werden. Sechs von zehn Häftlingen in amerikanischen Bundesgefängnissen sitzen wegen gewaltfreier Vergehen im Zusammenhang mit Drogen ein. Der private Waffenbesitz soll erleichtert werden. Vor allem wegen des Mehrheitswahlrechtes ("the winner takes all") ist die 1971 gegründete Partei auf nationaler Ebene bisher kaum in Erscheinung getreten. Sie stellt lediglich Abgeordnete in den Parlamenten einiger Bundesstaaten sowie einige Bürgermeister.

Eine weit wichtigere Rolle im öffentlichen Bewußtsein spielen die marktwirtschaftlich orientierten think tanks (zu deutsch: Denkfabriken). Insgesamt rund 20 bestehen mittlerweile in den USA. Zu den größten und einflußreichsten zählt das in Washington, D.C., ansässige "Cato Institute". Die privat finanzierte Forschungsorganisation ist benannt nach den Cato Letters. Hierbei handelt es sich um Pamphlete, die dazu beigetragen haben, die philosophische Grundlage für die Amerikanische Revolution zu legen. Die rund 70 Mitarbeiter beschäftigen sich mit einer Vielzahl von gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Themen. Hierzu zählen US-spezifische Themen wie Social Security (Sozialversicherung), Military Spending (Militärausgaben), aber auch internationale Themen wie Nato und Welthandel. Einzige Ausnahme bildet das Thema Abtreibung: Obwohl es in der öffentlichen Diskussion in den USA nach wie vor eine große Rolle spielt, will Cato dazu nicht offiziell Position beziehen. Einig ist man sich nur darin, daß auf staatliche Beihilfen zu Abtreibungen unbedingt verzichtet weden soll.

Die Forschungsergebnisse werden in zahlreichen Publikationen veröffentlicht, wozu Bücher, Studien und Magazine wie das Cato Journal gehören. Eine besondere Rolle spielt auch das alle zwei Jahre neuaufgelegte "Cato Handbook for Congress". Auf den mehr als 500 Seiten wird von Controlling des Budget (Haushaltsplanung) bis zu International Economic Policy (Internationale Wirtschaftspolitik) zu fast allen relevanten Themen Stellung bezogen. Außerdem finden wöchentlich Foren und mehrmals im Jahr größere Konferenzen statt.

Marktwirtschaftlich orientierte think tanks haben wesentlich zur konservativen Erneuerung unter Präsident Reagan in den 80er Jahren beigetragen. Das "Cato Institute" hat einen nicht unwesentlichen Anteil daran, daß in den USA gegenwärtig die Privatisierung der Sozialversicherung rege diskutiert wird. Und nicht nur das: Mittlerweile sind Umfragen zufolge zwei Drittel der Amerikaner dafür, über ihre Altersvorsorge nach eigenem Ermessen zu entscheiden.

Seit Bestehen wirbt das "Cato Institute" auch für eine weitere Liberalisierung des Welthandels. Oft aber nur mit mäßigem Erfolg: Bei einer kürzlichen namentlichen Abstimmung über die Einschränkungen von Billigimporten von Stahl aus Japan, Brasilien und Rußland votierten 289 Kongreßmitglieder für, 141 gegen Restriktionen.

Daniel Grinsword, Leiter des Center for Trade Policy Studies (Abteilung für Handel), schrieb daraufhin jenen Abgeordneten, die "dem Druck der Stahllobby widerstanden haben", Dankesbriefe im Namen von Cato. Kürzlich erst hat der Ex-Journalist eine Studie veröffentlicht, in der untersucht wurde, wie Mitglieder des Repräsentantenhauses und Senatoren in Handelsfragen abstimmen. Ergebnis: die Mehrheit der Mitglieder im Repräsentantenhaus gehört zu der Gruppe der Interventionisten. Dies bedeutet, daß sie in der Tendenz Subventionen an inländische und Zölle für ausländische Firmen befürworten. Unter die Rubrik Freetrader (Bezeichnung für Personen, die in den Abstimmungen zu Fragen des Handels überdurchschnittlich gegen Zölle und Subventionen gestimmt haben) fielen lediglich 37 Kongreßabgeordnete, weniger als zehn Prozent also.

Ähnlich wie die Libertarian Party setzt sich auch das "Cato Institute" für die Verwirklichung traditioneller amerikanischer Prinzipien ein. Der Erhalt individueller Freiheit, die Begrenzung des Staates und der staatlichen Aufgaben und die Bewahrung des Friedens stehen dabei im Mittelpunkt. Die philosophischen Grundlagen dafür bilden vor allem die Werke Adam Smiths. Regierungen sollten sich seiner Meinung nach darauf beschränken, die Rechte und das Eigentum der Bürger nach innen und nach außen zu schützen, sowie öffentlicher Güter bereitzustellen, letzteres allerdings in einem sehr eng begrenzten Rahmen. Eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung klassisch-liberaler Ideen spielen auch der dritte amerikanische Präsident Thomas Jefferson sowie die österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises. Zu nennen wäre auch die Philosophin Ayn Rand, die durch die Entwicklung einer auf Vernunft, Egoismus und individuellen Rechten gegründeten Philosophie, genannt Objektivismus, eine moralische Verteidigung der Marktwirtschaft lieferte. Dies kommt in ihrer bekannten Aussage zum Ausdruck, der Sozialismus sei nicht gut genug für die Menschen, im Gegegnsatz zu dem häufig vorgebrachten Einwand, Menschen seien nicht gut genug für den Sozialismus.


 
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