© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Die SPD und der Krieg
von Karl Friedrich Ciesarz

Es ist Krieg, und die ihn mit angerichtet haben, sind diejenigen, die den Frieden meinen für sich gepachtet haben. Jahrzehntelang lehrten die Sozialdemokraten alle diejenigen Mores, die die Geschichtslektion von 1933 nicht begriffen hatten: Allein die republiktreuen Sozialdemokraten hatten sich Hitler widersetzt, schuld an allem verdienten Unglück seit 1914 war "die Rechte". Aus dieser schmerzlichen Erinnerung erwuchs die Befähigung zur pädagogischen Glanznummer: Schuld an allem war der preußisch-deutsche Klassenstaat, nur unter dem Druck der von der "Rechten" verführten Massen habe man Kriegskrediten zugestimmt. Eigentlich Opfer, keinesfalls Mittäter. Daß in der Geschichte kein weiterer Schaden angerichtet wurde, verdanken die Westdeutschen den sozialdemokratisch-linksliberalen Historikern: Der Primat der Außenpolitik war eine Erfindung der Treitschke-Schule, die Reichsgründung 1871 war ein Sündenfall, der "Griff nach der Weltmacht" endete folgerichtig in Versailles, das Friedensdiktat war gar keines, die Spaltung der Arbeiterklasse war schmerzlich, aber schuld an Hitler waren die "Rechten". Die geschichtliche Quittung bekamen 1945 die Deutschen, weder Verführte noch Getriebene, sondern Täter im Kollektiv, sie hatten nichts Besseres verdient. Weggelassen wurde der Patriotismus Kurt Schumachers, ebenso der Nationalneutralismus der 50er Jahre, denn man stand jetzt treu zur Nato. Im Prinzip jedenfalls, während des Raketenpokers besann man sich auf das pazifistische Erbe und betrieb dabei aus lauter Friedensliebe den Sturz des eigenen Kanzlers Schmidt.

Nein, wir haben die Friedenslitanei noch nicht vergessen, deshalb halten wir fest: Von deutschem Boden geht Krieg aus, deutsche Soldaten führen Krieg, deutsche Truppen stehen im Ausland. Deutschland beteiligt sich an einem Krieg, der Grundsätze des Völkerrechts sowie die eigene Verfassung verletzt. Die deutsche Regierung, rot-grün, übt sich in Bündnistreue, das heißt, sie tut, was die Vormacht USA von ihr verlangt. Regt sich dagegen Widerspruch? Nein. Bis auf ein Häuflein Pazifisten, "die selbstverständlich ihren Platz in unseren Reihen haben" (O-Ton Schröder), steht die Partei, quotenfest geschlossen.

Das wird sich erst dann ändern, wenn der Krieg sich in die Länge zieht. Die Rede vom Pazifiusmus der "Linken" ist ein Ammenmärchen. Wir konstatieren, daß die "Linke" ihren Pazifismus verabschiedet, wenn es um die Verteidigung der Menschenrechte geht. Zu Recht warnte Voscherau seine Genossen vor der alten Theorie des "gerechten Krieges". Für jeden nüchternen Beobachter ist sonnenklar, daß die Sozialdemokraten im März 1999 endgültig ihre historische Unschuld verloren. Allein, sie weden es nicht merken.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen