© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/99 02. April 1999


Pankraz,
die Arnauten und das Kosovo auf der Reeperbahn

Was den Albanern allem Anschein nach im Kosovo passiert", sagte ein Kurde auf einer Diskussion in Bonn, "das passiert uns Kurden schon seit langem in den türkischen Südostprovinzen. Die Serben, pardon, die Türken machen unsere Dörfer dem Erdboden gleich, vertreiben unsere Leute aus der uralten Heimat, verwandeln sie ganz planmäßig und zynisch in Flüchtlinge, die an italienischen Küsten anlanden und als Asylbewerber weiter nach Deutschland ziehen. Unsere UCK-, nein, PKK-Kämpfer werden von einem technisch total überlegenen Feind bis in die letzten Wälder und Schluchten verfolgt, dort mit modernsten Wärmesensoren geortet und ausgelöscht. Aber uns hilft keine Nato. Wo ist da Gerechtigkeit? Was soll das Gerede von Menschenrechten? Die gelten doch für alle gleichermaßen."

Dem Mann war schwer zu widersprechen. Das "humanitäre" Argument zur Rechtfertigung der Nato-Aktionen gegen Serbien, scheinbar das kräftigste, ist in Wahrheit das schwächste. Es ist heuchlerisch durch und durch, im Grunde nur erträglich, sofern man sich klarmacht, daß solche Heuchelei eben einen wichtigen Teil der Politik darstellt. Es geht darum, bestimmte Interessen mit dem semantischen Mantel der Menschlichkeit zu umkleiden. Das war schon immer so und will sich offenbar nicht ändern.

Ein anderer Mantel wird von den Serben aufgebürstet, von etwas anderem Stoff als der Menschlichkeitsmantel, aber ebenfalls politiküblich: der Heiligkeitsmantel. Sie sind im Kosovo angetreten, um ein Heiligtum zu verteidigen, "heiligen nationalen Boden", "die Wiege unserer Identität", "das Mahnmal unserer Leiden". Nur geschichtslose Augenblicksexistenzen werden solches Reden gleichgültig beiseite wischen. Allerdings läßt sich da eine gewichtige Gegenrechnung aufmachen.

Die Serben haben es – im Gegensatz zu den Kurden, die seit Hethiter- und Mederzeiten in ihren heutigen Gebieten siedeln und viel früher als die Türken da waren – nicht verstanden, ihre "mythische Heimat" ethnisch zu verteidigen. Sie haben statt dessen, unterstützt von Rußland und den Westmächten zuerst gegen die Osmanen, dann gegen die Österreicher, ungeniert in die Regionen anderer Völker ausgegriffen, haben diese Völker unterjocht und ihnen ihre Mythen aufgezwungen, wurden zu skrupellosen Nutznießern der beiden Weltkriege und der Siege raumfremder Mächte. Ihr Leidenspathos klingt nicht weniger hohl als das Menschheitspathos der Nato.

Stehen die Albaner besser da? Sie sind auf jeden Fall die Angegriffenen, die man um Haus, Hof, Autonomie und Leben bringen will, deshalb wächst ihnen spontane Sympathie zu. Was an diesem Volk irritiert, ist seine kulturelle Geschichte, seine Gleichgültigkeit gegenüber solider nationaler Traditionsbildung. Obwohl uralt (sie sollen die Nachfahren der antiken Illyrer sein), haben sie außer dem rabiaten Haudegen Skanderbeg nie eine machvolle Integrationsfigur hervorgebracht. Auch hierin den Kurden ähnlich, war ihnen der Clan, die Großfamilie, durch die Jahrhunderte immer wichtiger als Nation, Sprache, Kultur.

Skanderbeg kämpfte gegen die Türken, aber seine Skipetaren waren das erste der Balkanvölker, das sich mehrheitlich zu deren Glauben bekehrte (ohne ihn doch je mit Inbrunst und wirklicher Überzeugung anzunehmen). Die Albaner wurden zu "Arnauten", zu jener bärbeißigen, teilweise wüsten Militärtruppe im Solde des Sultans, die ein Schrecken für alle übrigen Völker im osmanischen Reich war, eine von oben bis unten mafiotische Struktur, deren Feldwebel stets nur eines wollten: hinterrücks Macht ausüben und der eigenen Sippe Machtpositionen zuschieben.

Man muß es leider sagen: Während die Serben sich im fernen Ausland adrett und zivilisiert benehmen, sind die Albaner dort vielfach zum "skipetarischen Alptraum" geworden. Sie besetzen mit Vorliebe kriminelle Milieus und treiben in ihnen die Sitten ins Grelle und unverstellt Gewalttätige vor. Seitdem sie die Hamburger Reeperbahn in ihre Fänge bekommen haben, fliegen dort die blauen Bohnen nur so in der Luft herum. Und es steht zu befürchten, daß sich das in anderen Gegenden wiederholen wird, wenn die aktuellen Flüchtlingsströme erst einmal in Deutschland angekommen sein werden.

Insofern wird die deutsche Beteiligung am Nato-Einsatz im Kosovo fatale Folgen haben: unsere Asylbewerber-Situation wird sich weiter dramatisch verschlechtern, so oder so. Aber ansonsten, glaubt Pankraz, ist die Beteiligung überwiegend positiv zu bewerten. Gewisse Konstellationen klären sich nun endgültig ab.

Die Grünroten, die den Einsatz politisch zu verantworten haben, sind vor ihrer eigenen Ideologie bis auf die Knochen blamiert. Sie haben sich, mit Hegel zu sprechen, "zur Kenntlichkeit verändert", haben sich als besonders heuchlerische Politikmacher zu erkennen gegeben, die es – im Gegensatz zu "bürgerlichen" Politikern – nicht einmal für nötig halten, ihre Semantik in Krisenzeiten extra zu pflegen, das politische Spiel wenigstens verbal erträglich zu halten. Statt dessen dünne Brühe und ölige Fettaugen; zwischen J. Fischer und P. Boenisch ist kein Unterschied mehr. Kein idealistisch gestimmter Jungwähler wird diese Leute jemals wieder "aus Prinzip" ankreuzen.

Im übrigen kann es keinem deutschen Soldaten schaden, beim militärischen Einsatz endlich wieder einmal dem Ernstfall zu begegnen, also nicht nur zu simulieren und so zu tun, "als ob". Das Leben ist nun mal ein Ernstfall, wo es um realistische Interessenwahrnehmung und sorgfältigen Interessenausgleich geht, bis hin zu der Frage, wofür man es, das Leben, eventuell mutig einsetzen muß. Wem das klar wird, der wird auch bei anstehenden politischen Entscheidungen anspruchsvoller, und das verbessert dann letztlich den Karat der Politik im Ganzen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen