© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/99 02. April 1999


Geist der Gemeinschaft
von Herbert Bath

Die "Agenda 2000" der EU ist in Berlin verabschiedet worden. Agenda bedeutet Terminkalender, doch ging es weniger um Termine als um Geld, wer es bekommt und wer es bezahlt. Hauptergebnis war, daß Deutschland seinen Beitrag weiterhin in der bisherigen Höhe bezahlt und auf seinen Nettokosten von 22 Milliarden jährlich sitzenbleibt. Somit ist die Finanzierung des monströsen Unternehmens von Brüssel bis 2006 sichergestellt. Rechnet man die deutschen Nettozahlen auf sieben Jahre hoch, handelt es sich um über 150 Milliarden. Daran ist nicht mehr zu rütteln. Angesichts dieser finanziellen Größenordnung liegt der Kalauer Schröders vom entgangenen Lottogewinn jenseits der Grenze von Humor und gutem Geschmack.

Alles andere ist eher zweitrangig. Frankreich hat mit brutaler Machtpolitik noch mehr Vorteile bei den Agrarsubventionen herausgeschlagen. Spanien als größter Leistungsempfänger der EU kann nach Androhung seines Vetos ungebremst aus dem Strukturfonds abzapfen, und Großbritannien dachte nicht im geringsten daran, den ihm 1984 eingeräumten Beitragsrabatt zu vermindern; es könne ja schließlich nicht seinen eigenen Rabatt finanzieren, meint Tony Blair kabarettreif. Vielleicht ist noch das Beste, daß auch die Osterweiterung der EU steckenblieb. Kritische Beobachter halten sie bis 2006 für unmöglich, weil nicht finanzierbar. Schröder und Fischer mögen sich zu Herzen nehmen, was ein französischer Minister unverblümt gesagt hat: "Wenn Deutschland die Osterweiterung will, dann soll es sie auch bezahlen."

Was ist aus Schröders vollmundigen Äußerungen geworden, Krisen könnten nun nicht mehr durch den Griff in die deutsche Haushaltskassen gelöst werden? Nichts ist daraus geworden, man wird über das Wort des Bundeskanzlers künftig grübeln dürfen. Er wollte nicht alles anders machen als Kohl, aber vieles besser. Die EU-Politik hat er weder anders gemacht noch besser, und das ist schlecht genug. Offenbar hat er den europäischen Mechanismus noch nicht begriffen, über den die Londoner Times Anfang März schrieb: "Wenn Deutschland in Europa eine führende Rolle spielen will, muß es dafür bezahlen. Deutschland wird immer der Zahlmeister Europas bleiben – das ist die Essenz der Macht". Es ist wie in einer Straßengang: Wenn die Großen es wollen, muß der Kleine sein Portemonnaie hergeben. Nur nennt man es dort Jugendkriminalität, hier Geist der Gemeinschaft.


 
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