© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


Zeitschriftenkritik: "Scheidewege"
Meditation und Kampf
Michael de Wet

Als im Jahre 1971 Friedrich Georg Jünger und der mit ihm befreundete Max Himmelheber ein Periodikum namens Scheidewege aus der Taufe hoben, hatte die Debatte um Umweltfragen und "die Grenzen des Wachstums" in Deutschland soeben erst begonnen. Die neue Vierteljahresschrift (die 1983 auf jährliche Erscheinungsweise umstellte) setzte in dieser Debatte einen deutlich konservativen Akzent. Nicht um lärmende Maschinenstürmerei ging es ihr, sondern um den Versuch, die Welt-Fremdheit des modernen anthropozentrischen Denkansatzes zu demaskieren.

Dieser Haltung ist das Medium, das im Untertitel als "Jahresschrift für skeptisches Denken" firmiert, stets treu geblieben. Das Grundanliegen, das sich durch die Beiträge aller Jahrgangsbände zieht, ist die Skepsis am naiven Fortschrifttsglauben, sowohl was gesellschaftliche Utopien als auch blindes Vertrauen in die Segnungen der Technik betrifft.

"Skeptische Prüfung muß überall ansetzen: Dort, wo das Denken als Philosophie betrieben wird und dort, wo es, formuliert oder nicht, einem Handeln zugrundeliegt – in der Naturwissenschaft und in der Technik, in der Anthropologie und in der Pädagogik, in Politik und Soziologie – kein Bereich, in dem nicht ältere oder brandneue Gebrauchsanweisungen gültig wären, die der Prüfung bedürfen", heißt es in einer Selbstdarstellung der Jahresschrift. "Die Vielfalt der möglichen Themen, in denen kein Bereich des Lebens ausgespart sein kann, hat ebensolche Vielfalt der Form zur Folge: Sie reicht vom Essay bis zur Polemik, von der Beschreibung bis zur Mahnung, von der Rezension bis zum Bekenntnis – das heißt: von der Meditation bis zum Kampf."

In ihren Anfangsjahren reüssierten die Scheidewege mit einer von Ernst Jünger bis Eric Voeglin reichenden Autorenschaft bald als Hausorgan einer nonkonformen Geistes-Elite. Heute sind die Scheidewege weniger eine dem konservativen als vielmehr dem ökologischen Diskurs verpflichtete Schrift – wobei bekanntlich der eine Ansatz den anderen keineswegs ausschließen muß. Unter den regelmäßigen Autoren in den aktuellen Jahrgangsbänden finden sich prominente Namen des Umweltspektrums wie die von Ernst Ulrich v. Weizsäcker, Klaus-Michael Meyer-Abicht oder der mit scharfzüngigen Polemiken brillierende Erwin Chargaff. Aber auch philosophische Querdenker wie Hans Jonas, Robert Spaemann und Ulrich Horstmann trugen oder tragen das ihre dazu bei, daß die vor ihrem 30. Erscheinungsjubiläum stehenden Scheidewege das bleiben, was sie sind: Ein Forum skeptischen Denkens auf höchstem Niveau.

 

"Scheidewege" erscheint einmal im Jahr und wird herausgegeben von der Max-Himmelheber-Stiftung, Saarstr. 7, 72270 Baiersbronn. Der Jahresband 1998/99 hat 396 Seiten und kostet 39 Mark.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen