© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


Parteien: Nach Jahren der Erfolglosigkeit keimt in der CDU Brandenburg Hoffnung
Die Union wittert Morgenluft
Klaus Treimer

Brandenburgs CDU lernt gerade, sich in einer ungewohnten Gemütslage zurechtzufinden, sie wird nach langer Zeit politisch wieder ernst genommen."Ich kenne keine Gruppierungen oder Lager in der Partei, ich kenne nur Brandenburg und eine Partei, für die ich mich einsetze." Brandenburgs neuer CDU-Landeschef Jörg Schönbohm kann nicht nur gekrönte Häupter paraphrasieren, wie er mit dieser Bemerkung auf der Delegiertenversammlung zur Aufstellung der Landesliste am 6. März bewies, er scheint zudem noch Erfolg zu haben.

Dem erst am 16. Januar dieses Jahres mit bemerkenswerten 97,7 Prozent ins Vorsitzendenamt gewählten Ex-General ist es in beachtlich kurzer Zeit gelungen, nicht nur die in Brandenburgs CDU traditionellen Grabenkriege zu beenden, es scheint ihm zunehmend zu gelingen, sie wieder als politischen Faktor zu etablieren.

Zumindest spiegeln das aktuelle Umfragen wider. Danach sinkt die SPD gegenüber den Umfragen vom Januar in der Wählergunst von 54 auf 51 Prozent, die PDS stagniert bei 18 Prozent. Die CDU hingegen steigert ihren Wähleranteil von 21 auf 23 Prozent. Damit verstetigt sich ein Trend, der schon vor Schönbohms Eintritt in die Brandenburger Politik eingesetzt hatte. Seit September 1998 konnte die Union um insgesamt sieben Prozent zulegen, das avisierte Ziel von mindestens 25 Prozent für die CDU kommt also in erreichbare Nähe.

Ob damit schon die absolute Mehrheit der SPD gebrochen werden kann, wie ebenfalls erhofft und als Wahlziel verkündet, steht auf einem anderen Blatt. Bisher konnte das Vertrauen der Mehrheit der Brandenburger in den amtierenden Ministerpräsidenten noch nicht ernsthaft erschüttert werden, und es steht zu befürchten, daß die inhaltliche Schwäche der SPD und die mäßige Bilanz der Landesregierung erneut durch das Gewicht des Landesvaters Stolpe ausgeglichen werden könnten.

Allerdings ist auch bei der SPD ein gewisser "Schönbohm-Effekt" eingetreten. Wie hinter vorgehaltener Hand zugegeben, hat sein Auftritt auf der politischen Bühne in beträchtlichem Maße die Lethargie aus den Reihen der SPD vertrieben. Erkennbar wird dies unter anderem daran, daß in plötzlich auftretendem Aktionismus Defizite etwa bei der inneren Sicherheit oder in der Bildungspolitik angegangen werden, wobei man sich nicht scheut, beim politischen Konkurrenten abzuschreiben.

So novelliert man gerade überraschend das Polizeiaufgabengesetz, um verdachtsunabhängige Kontrollen zu ermöglichen, gleichzeitig ringt die SPD um einen Maßnahmenkatalog, um die Qualität des Bildungssystems wieder zu verbessern, auch hier schimmern alte CDU-Forderungen durch.

Dabei darf man die Fähigkeit Stolpes nicht unterschätzen, notfalls die eigene Opposition zu spielen und so die Bemühungen der Gegenseite ins Leere laufen zu lassen. So verkündete er im Dezember vorigen Jahres vor dem Landtag in einer bildungspolitischen Debatte: "Ich bin fest davon überzeugt, daß wir an einem Zeitpunkt angekommen sind, an dem wir das, was wir 1990 aus dem Westen im wesentlichen übernommen haben, auf den Prüfstand stellen müssen. Das bisherige Bildungssystem ist nicht mehr voll in der Lage, die Kinder und Jugendlichen für das 21. Jahrhundert und dessen Herausforderungen zu rüsten." Zumindest kristallisiert sich so die Gemengelage heraus, in der in den kommenden Monaten Wahlkampf geführt werden wird.

Der lange Zeit stärkste Landesverband der PDS, der Heimatverband des Bundesvorsitzenden Bisky, versucht unterdessen gerade mühsam, aus einem Formtief heraus zu kommen.

Die neue Landesvorsitzende Anita Tack wurde nur mit knapper Mehrheit gewählt und ernsthaft durch den letzten SED-Bezirkschef von Neubrandenburg gefährdet. Vorstandsprotokolle gerieten an die Öffentlichkeit, in denen von Alkohol- und Drogenexzessen am Rande von Parteitagen die Rede war. Gefälschte Vorstandsfaxe wurden in Umlauf gebracht und ein verselbständigter Funktionärsapparat ließ sich nur mit Mühe wieder bändigen. Immerhin gelang es dem Bundesvorsitzenden Lothar Bisky durch großen persönlichen Einsatz noch einmal, zumindest äußerlich wieder Ruhe einkehren zu lassen.

Andere Parteien sind in Brandenburg unbeachtlich. So bleibt für Schönbohm als politischer Hauptgegner tatsächlich nur die SPD übrig. Unschlüssig scheint er sich allerdings darüber zu sein, mit welcher Strategie er die SPD angehen soll: Frontalangriff oder Angebot einer Zusammenarbeit.

Erschwert wird ihm die Entscheidung offensichtlich auch dadurch, daß seine Persönlichkeit nur teilkompatibel zur Brandenburger Mentalität ist. Der Märker ist eher unpolitisch und mag die Polarisierung nicht, anderseits kommt ihm Schönbohms direkte und gelegentlich autoritäre Art sichtlich entgegen. Erkennbare Schwierigkeiten hat Schönbohm mit der in Brandenburg tiefverwurzelten DDR-Mentalität, für die das Land eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Auch hierfür wird er eine Antwort finden müssen, zumal er schon mehrfach bewiesen hat, auf unterschiedlichste Situationen und Herausforderungen flexibel reagieren zu können.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen