© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


Jürgen Reents
Unauffällig im Hintergrund
von Werner Olles

Nachdem Anfang März der Chefredakteur des Neuen Deutschland (ND), Rainer Oschmann, mitsamt seiner beiden Stellvertreter zurückgetreten war, soll nun der Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion, Jürgen Reents, am 1. April dieses Amt übernehmen. Oschmann hatte versucht, aus dem ND, das je zur Hälfte der PDS und einer Tochterorganisation der Partei gehört, ein "linkes Debattenblatt" zu machen, so wurden auch Themen wie "nationale Identität" heftig diskutiert. Soviel Offenheit stieß jedoch auf den massiven Widerstand des Geschäftsführers Spickermann, und auch innerhalb der Leserschaft waren die Meinungen durchaus geteilt.

Jürgen Reents, 1949 in Bremerhaven geboren, gehörte 1970 zu den Gründern des undogmatisch-mao- istischen Kommunistischen Bundes (KB), für deren Zeitung Arbeiterkampf er als verantwortlicher Redakteur tätig war. Unter seiner Leitung widmete sich das Blatt zunehmend dem "antifaschistischen" Kampf, schreckte aber auch nicht davor zurück, die übrigen K-Gruppen nach Kräften lächerlich zu machen. 1977 war er Mitbegründer der "Bunten Liste Hamburg", und ab 1980 gehörte er zu den Gründern der Bundespartei "Die Grünen", für die er im Hamburger Landesvorstand und in der Bundesprogrammkommission saß. Nachdrücklich beteiligte sich Reents an der Umfunktionierung der Grünen zu einer linksorientierten Partei und an der Herausdrängung aller gemäßigten Kräfte. 1983 gehörte er als Abgeordneter der ersten grünen Bundestagsfraktion an. Gemeinsam mit Trampert, Ebermann, Trittin und Ulla Jelpke vertrat er den ökosozialistischen Flügel der Partei.

Nach der Wende geriet der KB in eine schwere Krise. Der Mehrheitsflügel um Reents, Jelpke und Eckhoff plädierte dafür, den Aufbau der PDS zu unterstützen, während die KB-Minderheit jegliche parlamentarische Mitgestaltung ablehnte und zur Bekämpfung der Einheit Deutschlands, zur Zerstörung des Staates und zur Auflösung der Deutschen in eine multikulturelle Gesellschaft aufrief. Reents wechselte zur PDS-Linke Liste, avancierte recht bald zum Vertrauten Gysis und wurde 1991 Sprecher der Bundestagsfraktion.

Er ist ein eher unaufälliger Hintergrund-Arbeiter, der dabei aber die Fäden fest in der Hand hält. Inzwischen scheint sich der ehemalige Kader-Kommunist zum kritisch-zurückhaltenden Apologeten der sozialstaatlichen Massendemokratie entwickelt zu haben. Die revolutionäre Schock-Phraseologie hat er jedenfalls längst abgelegt. Reents sieht im ND "keine Parteizeitung mehr und erst recht nicht ein Linienblatt der Partei". Ob es ihm gelingt, die publizistische Krise der Zeitung mit ihrer auf 65.000 Exemplare gesunkenen Auflage zu meistern, ist jedoch eine andere Frage. Um die Aufgabe des resignativ-heroischen Bewahrens der kraftlosen Reflexe des in der PDS angelegten totalitären Potentials ist er wahrlich nicht zu beneiden.


 
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