© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


Auf Krieg versessen
von Peter Lattas

Nicht nur die serbischen Drohungen lassen die NATO-Strategen so lange zögern, ihrem martialischen Säbelrasseln gegen Serbien auch Taten folgen zu lassen. Und diesmal sind es nicht so sehr die zaudernden europäischen Verbündeten, die das Palaver endlos hinauszögern: Die USA selbst haben nur mäßiges Interesse daran, sich in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang zu stürzen. Das Hauptziel der US-Politik ist ja bereits dadurch erreicht, daß keiner sich mehr über die Selbstermächtigung der NATO aufregt. Das Bündnis beschließt, einen eigenmächtig ernannten Welterzbösewicht niederzubomben; der Weltsicherheitsrat wird gar nicht erst gefragt; und der Protest aus Moskau ist ebenso formell wie ohnmächtig. Damit wäre für Weltpolizist Amerika die letzte formale Hürde zum universalen Sherifftum beseitigt.

Mit Bomben auf Belgrad wird schließlich nichts im Kosovo gelöst. Milosevic kann solch ein Angriff nur recht sein: Dann schart sich die serbische Öffentlichkeit wieder einmütig hinter den Führer, und während die NATO bombt, hat die Armee am Boden Gelegenheit, in einer "Nacht der langen Messer" mit den albanischen Widerständlern aufzuräumen. Danach kann man ja wieder "Gesprächsbereitschaft" signalisieren; und die Superhelden des Westens, ohnehin ratlos, wie es nach dem furiosen Dreinschlagen weitergehen soll, werden dankbar die Chance ergreifen, durch erneutes intensives Palaver lästigen weiteren Entscheidungen auszuweichen. Die USA wären ohnehin damit zufrieden, daß sie die neue Lizenz zum Bomben einmal bekräftigt hätten. Zwischen allen Fronten stehen die Kosovo-Albaner: Ihr Selbstbestimmungsrecht interessiert niemanden, wenn die Großmächte Machtschach spielen und die kleineren Mächte ihre Neurosen pflegen.

Fast noch weniger zu beneiden sind die Bundeswehr-Soldaten, die zur Stationierung als Hilfssheriffs im Kosovo vorgesehen sind, sollte es zum Einsatz von Heeresverbänden kommen. Nicht nur, daß es an hinreichend ausgebildetem Personal für das bereits nach unten geschaffte moderne Renommiergerät fehlt, das zudem noch voller Macken steckt. Es fehlt auch am ideologischen Rüstzeug. Derzeit hämmert die serbische Propaganda ihrem Volk äußerst wirkungsvoll ein, daß wie 1941 der "Okkupator" vor der Tür stehe. Auf serbischen Kundgebungen in deutschen Städten ist zu hören, daß jetzt wiederum "deutsche Herrenmenschen" sich anschicken, serbische Zivilisten abzuschlachten. Wie soll sich ein Bürger in Uniform, dem dieselbe Propaganda aus Schule, Funk und Fernsehen vertraut ist, gegen solche Hetztiraden zur Wehr setzen?

Die kriegsgeilen grünen Gutmenschen, die rasant den Wandel von der Pazifistenpartei zum bündnistragenden Zynikerklub geschafft haben, werden sich wundern: Was die NATO hier vorhat, ist Angriffskrieg, und die Deutschen sind wieder mal dabei. Eine "Bundeswehr-Ausstellung" darf durch Herrn Reemtsma schon mal vorbereitet werden.

Einer, der Scharpings Späße nicht versteht, ist Ralph Giordano. Er nimmt den Verteidigungsminister ernst und begrüßt seinen Vorstoß. Von der Wehrmacht könne "nichts Traditionswürdiges übernommen werden". Giordano nimmt immerhin den militärischen Widerstand von seinem Urteil aus. So will Scharping auch den Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums, den Bendlerblock und ehemaligen Sitz des Oberkommandos der Wehrmacht, nach dem dort am 20. Juli 1944 erschossenen Claus Schenk Graf von Stauffenberg benennen. Löblich. Besser wäre es, wenn der Minister darauf hinwirken würde, daß die unwissenschaftliche Wehrmachtsausstellung keine öffentlichen Räume und keine Grußwörer von SPD-Politikern mehr bekäme. Im Begleitband zur Ausstellung wird der militärische Widerstand pauschal als verbrecherisch verdammt. Muß also auch der Name Stauffenberg aus dem Gedächtnis gelöscht werden?


 
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