© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/99 19. März 1999


SPD: Der Abgang von Lafontaine stellt die Regierung auf den Kopf
Schuß ins Zentrum der Macht
Alexander Schmidt

Auch fünf Tage nach der Rücktrittserklärung des ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden und Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine meldet die Börse, daß sich die sprunghaft gestiegenen Kurse immer noch in stabiler Höhe aufhalten. Dagegen wird in den Reihen der SPD Schadensbegrenzung geübt.

Lafontaine beklagte bei seinem Rücktritt, daß seine Partei ein schlechtes Mannschaftsspiel geliefert habe. Lafontaine: "Während wir Mittelständler um fünf Milliarden entlasten, diskutiert die Mannschaft darüber, ob wir eine wirtschaftsfeindliche Politik machen. Das verstehe, wer will." Nicht verstehen mochte das auch die Vorsitzende der Jungsozialisten, Andrea Nahles, nicht. Die seit der Bundestagswahl dem Parlament angehörende linke Flügelfrau machte Kanzleramtsminister Bodo Hombach für Lafontaines Rücktritt verantwortlich, weil er zu den Quellen gehöre, "die Interna weiterplaudern".

Widersürchliche Bewertungen der Erklärung Lafontaines zu seinem Rücktritt kommen auch aus den Reihen des grünen Koalitionspartners. Während Außenminister Joschka Fischer kein schlechtes Mannschaftsspiel feststellen konnte, kritisierte die Grünen-Vorstandssprecherin Antje Radcke, daß es tatsächlich an Teamgeist innerhalb der Koalition gefehlt habe.

Das Aufkommen von Flügelkämpfen, vor denen der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel am Montag gewarnt hatte, wurde mittlerweile von den Sozialdemokraten weitgehend wieder eingestellt. Noch am Wochenende befürchteten Parteilinke aus dem "Frankfurter Kreis" anläßlich eines Treffens im Willy-Brandt-Haus in Berlin, daß Lafontaines Rücktritt zu einem "Rechtsruck" der Regierung führen konnte. Trotzdem habe man sich dafür entschieden, auf dem Sonderparteitag im April für Gerhard Schröder zu stimmen, obwohl damit die Gefahr bestehe, daß die Partei ihre Eigenständigkeit verliere, wie es im Hamburger Landesverband heißt.

Eine solche Neuorientierung hat nach Meinung des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, zur Folge, daß "die Wirtschaft pfeift und die SPD ihr folgt." Die Sozialdemokraten müßten aber an ihrer Reformpolitik und der Schaffung neuer Arbeitsplätze festhalten.

Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Müller und Stiegler haben jetzt von der Bundesregierung ein "überzeugendes Mannschaftsspiel" gefordert, während Rücktrittsforderungen gegen Kanzleramtschef Hombach durch alle Reihen der SPD zurückgewiesen wurden. Es sei unsinnig, den Kanzler-Vertrauten zum alleinigen Sündenbock für zurückliegende Fehler zu machen, hieß es aus der SPD-Spitze.

Fraktionschef Peter Struck nannte die Forderung "absolut unberechtigt". Einen Kurswechsel werde es auch unter einer von Gerhard Schröder geführten Partei nicht geben.


 
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