© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/99 12. März 1999


Skandal: Die Pelzindustrie macht Geschäfte mit Fellen lebendig gehäuteter Katzen
Tierschützer rufen zum Boykott auf
Gerhard Quast

In China, Thailand und den Philippinen werden Katzen und Hunde von der Straße weg gefangen, erdrosselt, mit Messerstichen in die Lenden qualvoll zu Tode gebracht oder bei lebendigem Leibe enthäutet. Die Felle dieser Hunde und Katzen sind fast ausschließlich für den Export vorgesehen, insbesondere nach Deutschland, Österreich und der Schweiz, wo sie als "Echt Leder" auf den Markt kommen oder von der Pelz- und Lederindustrie Phantasiebezeichnungen erhalten. Hundepelze werden beispielsweise als "Gae-Wolf" angeboten – was, übersetzt aus dem Koreanischen, Hund bedeutet. Auch hinter dem Begriff "Finracoon" verbergen sich keine "Seefüchse", sondern Hunde. Darauf hat der Tierdokumentarfilmer Manfred Karremann bereits im Dezember letzten Jahres in einer Reportage für RTL hingewiesen.

Jetzt hat Karremann nachgelegt und zusammen mit dem TV-Filmer Thomas Berndt auf die Verflechtungen zwischen den bestialischen Zuständen in Schlachthäusern Asiens und der deutschen Leder- und Pelzindustrie hingewiesen. In ihrem Beitrag für das ARD-Magazin "Panorama" gehen sie auch der Vermutung nach, daß in Deutschland vermehrt Tierfänger unterwegs sind und streunende Katzen wegfangen. Nach Schätzungen des Deutschen Tierschutzbundes verschwinden jedes Jahr Zehntausende Katzen allein in Deutschland spurlos. Daß zumindest ein Teil dieser Katzen über kriminelle Tierfänger in den kommerziellen Pelzhandel gelangt, belegen nach Ansicht der Autoren die vermehrt auftretenden Funde von gehäuteten Katzenkadavern, so daß angenommen werden müsse, daß auch Felle deutscher Hauskatzen zu Rheumadecken, Plüschtieren und Kauspielzeugen für Hunde und Katzen verarbeitet werden.

Tarnnamen wie zum Beispiel "Genotte", "Gae-Wolf", "Lipi", "Wolf aus Asien" und "Finracoon" sollen nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbundes den Verbraucher in die Irre führen. In Wirklichkeit handle es sich bei diesen Fellen immer um Katzen- und Hundefelle, betonen die Tierschützer und rufen bundesweit zum Boykott der Importeure und Händler auf.

Auch darüber, wer von dem Leid der Tiere profitiert, ließen die Dokumentarfilmer ihre Zuschauer nicht in Unkenntnis. In mehreren Interviews kamen Inhaber verschiedener Pelzgroßhandlungen zu Wort. Außerdem wurden alle bisher bekannten, am Handel mit Katzenfellen beteiligten Firmen angeprangert. Bei den Recherchen stießen Karremann und Berndt auf eine recht stattliche Zahl beteiligter Firmen: Lindasan-Fellvertrieb (Freilassing), Henckell & Co (Trittau), Mildasan (Rottweil), Medisan (Rammingen), Felisan (Weil am Rhein), Steingraf (Bad Homburg), Beck KG (Frankfurt/M.) und Levy & Co (Berlin). Letztere wurde bereits von Tierschützern ins Visier genommen: Wie das Berliner Boulevardblatt B.Z. zwei Tage nach der Sendung – in der der Pelzkonfektionär Wolfgang Levy stolz erklärte, in seinem Lager lägen "ein paar Tausend Katzen, völliger Unsinn, daß die aus Deutschland kommen" – berichtet, hat der "Händler der vielen tausend Katzenfelle" bereits den Unmut zahlreicher Katzenfreunde zu spüren bekommen. Drohungen wie "Wir bringen Euch hinter Gitter, Ihr Mörder, wir legen Euch das Handwerk" sollen Levy so eingeschüchert haben, daß er nicht mehr zu sprechen ist. Auch die meisten anderen Firmenchefs sind noch Tage nach dem "Panorama"-Beitrag aus ihrer Deckung nicht hervorgekommen: Telefonanschlüsse sind auf Faxgeräte umgestellt, Angestellte "können dazu nichts sagen" oder der Anrufbeantworter informiert, daß das Büro "zur Zeit nicht besetzt" (Mildasan) oder die Firma "zur Zeit nicht erreichbar" (Felisan) sei.


 
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