© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/99 12. März 1999


Kärnten: Die FPÖ gewinnt hinzu und wird stärkste Partei im neugewählten Landtag
Kein Stein blieb auf dem anderen
Jürgen Hatzenbichler

Die Kärtner Landtagswahl am vergangenen Sonntag brachte einen fulminanten Sieg für die Freiheitlichen (FPÖ) unter Jörg Haider, so daß es sogar der Bundespolitik die Sprache verschlug. In Österreichs südlichstem Bundesland wurden Sozialdemokraten (SPÖ) und konservative Volkspartei (ÖVP) in einem Ausmaß deklassiert, daß sie es für die Abschlußdiskussion im Staatssender ORF nicht mehr als ratsam erachteten, überhaupt einen Vertreter der jeweiligen Landespartei zu entsenden.

Die Wahl war mit größter Spannung erwartet worden: Einerseits weil die FPÖ im letzten Jahr einige Katastrophen erlebt hatte, so die Causa des mutmaßlichen Millionenbetrügers Rosenstingl, die am Saubermann-Image der Freiheitlichen massiv gekratzt hatte. Parteiinterne Turbulenzen hatten das Gefüge der FPÖ erschüttert. Haider hatte mit Rücktritt gedroht. Andererseits war Haider bereits einmal Kärtner Landeshauptmann, bis er über sein Diktum von der "ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich" gestolpert wurde. Eine Koalition von SPÖ und ÖVP auf Landesebene setzte Jörg Haider ab. Die kleinste im Landtag vertretene Partei kam zu der Ehre, den Landeshauptmann stellen zu dürfen. Christof Zernatto regierte in Kärnten mit der ihm eigenen Gemütlichkeit. Die Freiheitlichen übten sich in Opposition, wiewohl sie in der Landesregierung vertreten waren. Die Landesverfassung schreibt eine Zusammenarbeit aller Landtagsparteien in der Regierung vor.

Am Abend des 7. März wurde der rot-schwarzen Koalition in Kärnten eine Absage erteilt, die selbst von den optimistischsten Beobachtern nicht erwartet wurde. Die FPÖ gewann 8,8 Prozent und wurde mit 42,1 Prozent zur stärksten Partei im Lande. Damit verdrängten sie die Sozialdemokraten, die 4,5 Prozent verloren und 32,9 Prozent erhielten. SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ausserwinkler trat noch vor Bekanntwerden der ersten Hochrechnung zurück. Die ÖVP wurde vollends deklassiert: Trotz Landeshauptmannbonus rutschte sie auf 20,7 Prozent; ein Verlust von 3,1 Prozent. ÖVP-Spitzenkandidat und Landeshauptmann Christof Zernatto, der fest an ein Ergebnis über 25 Prozent geglaubt hatte, war den Tränen nahe. Einen Anspruch auf den Landeshauptmannsessel erhebt er nicht mehr. Am Montag nach der Wahl beschloß die ÖVP, daß Zernatto aber Parteivorsitzender bleiben solle. Im Landtag gehe man nun in eine "konstruktive Oppossition". Eine Wahl Jörg Haiders als Landeshauptmann wurde von der ÖVP ausgeschlossen.

Daß Jörg Haider als Kärntner Landeshauptmann kaum zu verhindern sein wird, wurzelt im erdrutschartigen Wahlergebnis. Der Bärentaler trat mit dem Anspruch auf das Amt an. Die Sozialdemokraten unter Ausserwinkler wollten Haider verhindern. Selbstsicher hatte SPÖ-Spitzenkandidat Ausserwinkler gefordert, die "stärkste Partei im Lande solle den Landeshauptmann" stellen. Daß das Duell zwischen Freiheitlichen und Sozialdemokraten allerdings so eindeutig ausgehen würde, hatte man nicht erwartet. Der Versuch, Jörg Haider von der Macht fernzuhalten, dürfte mit diesem Wahlergebnis gescheitert sein, auch wenn es sich nicht um eine Landeshauptmann-Direktwahl gehandelt hat. Die Mehrheitsverhältnisse im Landtag entscheiden. Hier hätten zwar SPÖ und und ÖVP zusammen die Mehrheit, könnten also Haider verhindern. Angesichts des Wahlergebnisses scheint das aber unwahrscheinlich. Haider zum Märtyrer zu machen, dürfte fürchterlichere Folgen haben, als ihn an die Macht zu lassen. Die geschockten Sozialdemokraten, deren interimistischer Landesparteiobmann der bisherige Landesrat Dietfried Haller noch in der Wahlnacht geworden war, signalisierten zwar zuerst noch eine Haider-Blockade, inzwischen mehren sich allerdings die Stimmen, daß dererlei kontraproduktiv wäre. Die SPÖ scheint sich zu überlegen, ob sie eine Haider-Wahl zumindest passiv mittragen könnte. Nachdem die ÖVP eine solche bereits dezidiert ausgeschlossen hatte, eine brisante Entscheidung: Bundespolitisch hatten SPÖ und ÖVP für so einen Fall bereits mit dem Ende der Großen Koalition gedroht. Die Verhandlungen in den nächsten Tagen und Wochen werden über die Frage entscheiden, ob Jörg Haider Landeshauptmann wird oder nicht. Tatsächlich dürfte er aber angesichts dieses Wahlergebnisses nicht zu verhindern sein.

Wie radikal der Erdrutsch zugunsten der Haider-Bewegung war, zeigen Blicke auf Einzelergebnisse: Die Sozialdemokraten verloren sogar in den "roten Hochburgen". In der "Eisenbahnerstadt" Villach zum Beispiel gewann die FPÖ 9,5 Prozent dazu und erreichte 43,4 Prozent. Die Sozialdemokraten fielen um 4,9 Prozent auf 35,8 Prozent. Erschüttert mußten Vertreter des erfolglos angetreteten Parteienbündnisses "Demokratie 99" – bestehend aus Liberalen, Grünen und slowenischer Kärntner Einheitsliste – eingestehen, daß die FPÖ sogar in die slowenischen Minderheit Kärntens massiv eingebrochen sei. Die Volkspartei verlor in ihrer Kernschicht ebenfalls radikal: Als die ersten Ergebnisse aus bäuerlichen Gemeinden kamen, meinte der ÖVP-Landesgeschäftsführer noch, das sei nicht repräsentativ. Schneefälle hätten die ÖVP-Wähler abgehalten. Der Wahlabend belehrte die Christlichsozialen eines Besseren. In nur mehr drei Gemeinden im letzten Winkel Kärntens hält die ÖVP eine relative Mehrheit.

Die historische Dimension der Wahl zeigt sich, wenn man überlegt, daß es bisher erst einmal in der Zweiten Republik, bei 120 Landtagswahlen, gelungen ist, daß ein Wechsel der Mehrheitsverhältnisse in einem Bundesland "passierte". 1964 verdrängte die SPÖ im Burgenland die ÖVP.

Die Freiheitlichen zeigten sich nach der Wahl als äußerst moderate Sieger. Zwar erhob Jörg Haider dezidert Anspruch auf den Landeshauptmann-Sessel, verkündete aber, daß man den anderen Parteien Angebote zur Zusammenarbeit machen werde. Die FPÖ, so Haider, müsse nun in Kärnten beweisen, daß sie "nicht nur Oppositionsqualitäten" habe, sondern auch Problemlösungskompetenz. Für die Freiheitlichen eine wesentliche Frage: Innenpolitisch als Radaubrüder verschrien, müssen Haider und die FPÖ nun zeigen, daß sie regierungsfähig sind.


 
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