© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/99 12. März 1999


Elke Leonhard
Der Kultur verbunden
von Alexander Schmidt

Ihre Biographie legt die Vermutung nahe, daß Elke Leonhard eine typische Parteikarriere hinter sich hat, die mit dem Vorsitz im neu geschaffenen Bundestagsausschuß für Kultur und Medien ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Im hessischen Fritzlar 1949 geboren, trat die heutige Publizistin und bioenergetische Analytikerin 1968 der SPD bei, studierte später Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main und promovierte dort zum Doktor phil. An der Universität in Yale forschte sie vier Jahre lang zur sozialistischen Internationalen und der sozialdemokratischen Bewegung. Forschungsarbeiten zur Geschichte und Gegenwart der internationalen Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung führten sie in die Parteiarchive vieler europäischer Hauptstädte. In den achtziger Jahren ließ sie ihr Wissen in einen Fernsehfilm über die Kommunistische Internationale einfließen, Veröffentlichungen in der darauffolgenden Zeit behandelten Fragen zur deutschen Sozialdemokratie. Seit 1986 ist Elke Leonhard Herausgeberin der Buchreihe "Europäische Zeitzeugen".

Doch trotz ihrer Parteibindung hat Elke Leonard nie Individualität und eigenständiges Denken verloren; bei ihren Kollegen im Kulturausschuß gilt sie als eine engagierte Politikerin, die für alle kulturpolitischen Fragen ein offenes Ohr hat. Das gilt sowohl in Fragen der Beutekunst als auch bei der Gestaltung des umstrittenen Holocaust-Mahnmals in Berlin. So hat sie zwar gegen "Ausmaß und Ort" des Mahnmals "nichts einzuwenden", wie sie erst diese Woche in einem Interview betonte. Dem Vorschlag von Kulturstaatsminister Michael Naumann, für 150 Millionen Mark eine zusätzliche Dokumentations- und Forschungsstätte zu errichten, kann sie jedoch nichts abgewinnen.

Im vergangenen Jahr forderte sie vor dem Bundestag die Rückführung von Kulturgütern aus Rußland, in einer Rede, in der aufmerksame Zuhörer auch die Wortfetzen "nationale Würde" und "nationales Erbe" auffangen konnten. Damit bahnt sie Konflikt Nummer eins mit dem Bundeskanzler an. Konflikt Nummer zwei: Ihre Forderungen an den Etat für auswärtige Kulturpolitik. Dem Kanzler, nach dessen Meinung es nicht sein könne, daß sich heute "mehr Studenten mit Lessings Mitleidstheorie als mit den Programmiersprachen des Internets" befassen, ist Elke Leonard mit ihrer Forderung nach Schließung der Schere von "Anspruch auswärtiger Kulturpolitik und finanzpolitischer Wirklichkeit" bereits auf den Fuß getreten. Dabei richtet sie ihre Forderungen ebenso an die deutsche Wirtschaft, die auch in der Kulturpolitik stärker mit dem Staat zusammenarbeiten solle. Nur über den kulturellen Austausch könne das moderne Deutschland erreicht werden: wertorientiert, weltoffen-kompetent und selbstbewußt. Darin sieht sie ihre Aufgabe.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen