© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/99 12. März 1999


Haiders Beispiel
von Ronald Gläser

Als die FPÖ in Wien 1991 zur zweitstärksten Partei aufstieg, titelte das Time-Magazin "Sieg für die Intoleranz". Nach dem erdrutschartigen Wahlsieg der FPÖ am vergangenen Wochenende in Kärnten muß man solch hysterische Aussagen schon mit der Lupe suchen. Wahlerfolge der Freiheitlichen jenseits der 20-Prozent-Marke sind zur Normalität in Österreich geworden. Und nicht nur in Kärnten konnte die Partei Jörg Haiders erneut deutlich zulegen. Kurz: Haider und die FPÖ sind aus der österreichischen Politik nicht mehr wegzudenken, und ausgrenzen kann man die stärkste Partei auch nicht länger.

Dieser steile Aufstieg ist Jörg Haider nicht in den Schoß gefallen. Vor 20 Jahren haben er und andere junge Freiheitliche damit begonnen, die FPÖ grundlegend umzukrempeln. Zuerst ist ihnen das in Kärnten gelungen. Ihren Erfolg in einer weniger bedeutenden Gliederung haben sie schnell in einen Sieg auf Bundesebene umwandeln können: 1986 wurde der linksliberale Vorsitzende der FPÖ, Norbert Steger, regelrecht davongejagt. Haiders erster Triumph, die Eroberung der eigenen Partei, bedeutete zunächst den Verlust der Macht in Wien. Denn die Sozialisten unter Kanzler Vranitzky kündigten umgehend die Koalition mit der nunmehr wieder nationalliberalen FPÖ auf.

Mit ihrem linken Kurs kämpften die Freiheitlichen in den 80ern ums Überleben. Jetzt, 13 Jahre später, haben sie gute Aussichten, sogar zweitstärkste Kraft im ganzen Land zu werden. Und in Kärnten kann man sie von der Regierungsbildung nicht mehr ausschließen.

Sicherlich ist Österreich nicht ohne weiteres mit der Bundesrepublik vergleichbar. Aber eine Parallele läßt sich ziehen: neben zwei großen, sozialdemokratischen Parteien und den Grünen besteht für eine linksliberale Partei kaum Bedarf. Dagegen stößt eine rechtsliberale Partei in die Lücke, die eine nach links driftende, "konservative" Partei hinterläßt. Die CDU Volker Rühes, Ole von Beusts und Michel Friedmanns würde die Wähler rechts von der Mitte direkt in die Arme einer nationalliberalen Partei in Deutschland treiben.

Das Erscheinungsbild der FDP entspricht heute etwa dem der FPÖ Mitte der 80er Jahre. Die Partei kämpft um ihr Überleben. Zu einem Kurswechsel konnte sie sich trotz eines gewissen Wandlungsprozesses unter Gerhardt und Westerwelle nicht richtig durchringen. Die Botschaft von Hessen, nämlich die grundlegende Abwehrhaltung der Mehrheit der Deutschen gegen die seit Jahren praktizierte Einwanderungspolitik, wurde angesichts der neuerlichen Regierungsbeteiligung in Frankfurt abermals überhört.


 
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