© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


Pankraz,
Ausonius und die Andacht im deutschen Reichstag

Als dieser Tage eine CSU-Delegation die Arbeiten am Berliner Reichstag besichtigte und nach der "Kapelle" fragte, die so ein Gebäude doch haben sollte, da dieser oder jener Abgeordnete wohl auch einmal zu seinem Gott beten wolle, verwies sie die Bauleitung in einen "Andachtsraum", der gerade fertiggestellt worden war. Aber dort gab es zwar eine Klagemauer für die Juden und eine fest installierte Gebetsmarkierung gen Mekka für die Moslems, ein Christenkreuz war jedoch nicht vorhanden. "Det muß der Abjeordnete halt mitbringen", meinte der Bauleiter ungerührt. Die Bayern zeigten sich empört.

Zu Recht, findet Pankraz, denn schließlich besteht die große Mehrheit des deutschen Parlaments (mindestens pro forma) aus Christen, das Staatswesen als ganzes wurzelt in christlicher Tradition, und das darf natürlich (und sollte sogar) seinen sichtbaren Ausdruck in Symbolräumen finden. In Jerusalem oder Er-Riad käme in vergleichbarem Falle kein Verantwortlicher je auf den Gedanken, offizielle Andachtsräume ausgerechnet für Christen zu privilegieren. Warum sollte er auch? Was ist das für ein verbrecherischer Unsinn, den sich die Berliner Baumeister da haben einfallen lassen?

Aber der Wahnsinn hat Methode. Die von Behörden angeordnete oder exekutierte Privilegierung fremder oder minoritärer Kulturen zu Lasten der eigenen hat in Deutschland auch andernorts schon groteske Ausmaße erreicht. Ihr zuliebe werden, wenn es darauf ankommt, sämtliche bereits erreichten Standards des Benehmens und des zivilisierten Zusammenlebens wieder preisgegeben, seien es nun Umweltschutzauflagen oder Normen der Gleichberechtigung von Mann und Frau, Erziehungsprinzipien oder Gesetze zur Aufrechterhaltung öffentlicher Ordnung und Sicherheit.

Die Medien zeichnen unentwegt das Bild vom häßlichen "ausländerfeindlichen" Einheimischen, der die armen, ohnmächtigen Fremden schurigelt und "jagt". Wenn sich Jugendbanden prügeln und ein Deutscher kommt dabei zu Tode, kräht danach kein Hahn; kommt hingegen ein Ausländer zu Tode, geht ein Geheule los, als würde die Welt untergehen. Ministerpräsidenten eilen herbei und legen ihr Gesicht in Kummerfalten, Pfaffen fallen ins Gebet, Polizei und Sozialarbeiter geben hektische Interviews, Staatsanwälte und Richter werden unter Druck gesetzt und faktisch zu Bütteln und Vollzugsorganen der veröffentlichten Meinung degradiert.

Es ist einfach gelogen, wenn immer wieder behauptet wird, die Einheimischen, die Autochthonen, seien in diesem Spiel die Stärkeren, die "Anderen" die Schwachen, denen man, wie jedem Schwachen, helfen muß. Denn die mächtigste und die zweitmächtigste Kraft, die es heute gibt, also die Medien und die Behörden, stehen nicht auf Seite der Einheimischen. Und die "Anderen" haben das längst mitgekriegt und machen planvoll davon Gebrauch, drücken völlig unverfroren auf Tränendrüsen, benutzen höchst wirkungsvoll die ihnen von den Medien und von den Pfaffen zur Verfügung gestellten Pauschalbegriffe und Totschlagwörter.

Bereits jeder türkische oder kurdische Anfangsklässler weiß heute, mit welchen Einschüchterungsvokabeln er seinen deutschen Banknachbarn bei anstehenden Streitfällen in die Defensive bringen oder bei der Lehrerin dauerhaft anschwärzen kann. Es geht da schon genau wie im neuen Andachtsraum des Berliner Reichstags zu: die Insignien der "Anderen" nehmen ganze Wände ein oder sind ehern in den Boden einzementiert, die Insignien der Autochthonen aber müssen erst aus der Hosentasche herausge-puhlt werden und nehmen sich dann unansehnlich aus wie ein zerknautschtes Taschentuch. Der Autochthone ist von vornherein im Nachteil.

Kein Wunder, wenn er sich dann auch wie ein notorisch benachteiligter, von allem kulturellen Beistand verlassener Underdog aufführt und um sich schlägt. Er ist zum Fremden im eigenen Land geworden. Er wird von den eigenen Leuten sofort abgeführt, während die "Anderen" gänzlich ungeniert mit Brechstangen aufeinander losgehen, sich mit Revolvern umpusten, deutsche Parteibüros besetzen und verwüsten – und sich dann immer noch Hoffnung machen dürfen, zunächst auf "freien Abzug", anschließend, gleichsam als Belohnung, auf Erwerb der doppelten Staatsbürgerschaft, einer geradezu monströsen Überprivilegierung, die sich wohl wirklich nur eine "politische Klasse" wie die gegenwärtige deutsche ausdenken kann.

Im Grunde paßt der neue Andachtsraum des Reichstags in seiner augenblicklichen Konzeption zur doppelten Staatsbürgerschaft wie die Faust aufs Auge dieser unserer politischen Klasse. Die sehen alles doppelt, nur die eigenen Traditionen sehen sie überhaupt nicht mehr. Etwas Ähnliches hat es wahrscheinlich nur noch im alten Rom gegeben, als es schon am Untergehen war, von ständigen Barbareneinfällen heimgesucht wurde und seine Großideologen unisono von der Güte und der Klasse der Barbaren schwärmten.

Einem von ihnen, dem putzigen Dichter und Kaiserfreund Decimus Magnus Ausonius aus Burdigala, hatten es vor allem die Alemannen und die Sueben angetan. Von den Alemannen hatte er einst Schläge bezogen, von den Sueben hatte er sich ein Mädchen ergattert, Bissula, und nun sah er die Welt seiner Träume immer doppelt; einerseits Keile von den Alemannen, andererseits Zärtlichkeiten vom Suebenmädchen.

Wenn die CSU-Abgeordneten künftig im Berliner Reichstag nicht wie Ausonius erscheinen und überhaupt noch einigermaßen sie selbst sein wollen, dann sollten sie besonders fleißig den Andachtsraum frequentieren. Beten, beten, beten. Vielleicht müssen sie dann eines Tages ihr Kreuz nicht mehr extra mitbringen, sondern der Bauleiter genehmingt ihnen eines als Daueraufhänger an der Klagemauer, direkt über dem Richtungspfeil nach Mekka. Das wäre ein feines multikulturelles Arrangement.


 
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