© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


Parteien: Ex-SPD-Mitglieder gründen neue Sozialliberale Partei
"In erster Linie freiheitlich"
Karl-Peter Gerigk

Sie sind grundsätzlich gegen eine Zusammenarbeit von PDS und SPD. Warum?

Haring: Ich bin nicht allein gegen eine Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS, sondern vielmehr gegen eine Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien mit der PDS auf Regierungsebene. Eine Partei wie die PDS, in der führende Mitglieder noch heute den Bau der Mauer 1961 und somit auch die dort verübten Morde rechtfertigen, darf für eine demokratische Partei nicht zuletzt aus moralischen Gründen niemals als Koalitionspartner auch nur in Erwägung gezogen werden. Ferner ist die PDS aus meiner Sicht eine Partei, die ihr politisches Überleben allein den inneren Spannungen zwischen alten und neuen Ländern verdankt. Sie kann dem wichtigen Prozeß der inneren Einheit Deutschlands deshalb niemals förderlich sein, sondern wird es vielmehr immer darauf anlegen, die Gräben neu aufzureißen, um daraus existentielle Legitimation zu ziehen.

Denken Sie, die PDS ist verfassungstreu?

Haring: Vielleicht gibt es verfassungsmäßige Bedenken gegen die PDS. Bestimmte Teile der PDS werden ja auch durch den Verfassungsschutz beobachtet. Aber die PDS als solche wird nicht observiert. Sie behauptet, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, und man kann ihr im Moment auch nicht das Gegenteil beweisen. Jedoch kann das von außen auch differenziert betrachtet werden. Wenn die PDS heute den "antifaschistischen Schutzwall" immer noch als legitim betrachtet, kann man schon mal die Frage nach ihrer Verfassungstreue stellen.

War die Zusammenarbeit zwischen PDS und SPD Grund für die Abspaltung der Sozialliberalen Partei?

Haring: Zuerst einmal möchte ich richtigstellen, daß die SLP keine Abspaltung von der SPD ist, sondern ihre derzeitige Existenz den Austritten einiger ehemaliger SPD-Mitglieder verdankt, ansonsten ist sie aber eine vollständig SPD-unabhänige Partei. Für unsere Gründungsinitiatoren war diese Zusammenarbeit allerdings der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat und uns keine Alternative mehr zu einem Austritt aus der SPD gelassen hat. Mit einer Partei, die den Führungskadern eines diktatorischen Regimes heute zu neuer politischer Macht verhilft, konnten wir uns nicht mehr identifizieren. Aber auch die zurückgenommene Überprüfung von Abgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern auf ehemalige Stasi-Mitarbeit war für mich ein entscheidender Faktor. Es handelt sich bei der ganzen Geschichte aus meiner Sicht um einen von der Bundes-SPD geförderten Verrat an sozialdemokratischen Grundwerten. Aber auch die Art und Weise, wie diese Koalition in Mecklenburg zustande gekommen ist, wie diese Mehrheitsmeinung herbeigeführt wurde hat zu atmosphärischen Störungen innerhalb der Partei geführt. Von Redeverboten bis zu Ausladungen aus Parteiveranstaltungen hat es vieles gegeben, das die Diskussion um diesen Punkt abgewürgt hat. Harald Ringsdorff hat festgelegt, daß er Ministerpräsident werden wollte – und er wollte es mit der Hilfe der PDS.

Warum nennen Sie sich nun sozialliberal?

Haring: Wir übertragen unser politischen Grundsätze in den Namen und versuchen dabei dem Bürger unsere primären Politikansätze näherzubringen. Für uns nimmt die Sozialpolitik eine bedeutende Stellung in der politischen Gestaltung unserer Gesellschaft ein, da sie sich in jedem Politikbereich, egal ob Wirtschafts-, Gesundheits- oder Bildungspolitik, wiederfindet. Die sozialen Sicherungsstrukturen in der Bundesrepublik bedürfen unserer Ansicht nach einer grundlegenden Reformierung. Unser Ziel wird es deshalb sein, den Bürgern, die auf die Unterstützung des Staates angewiesen sind, unter Berücksichtigung ihres persönlichen Engagements auf einfache und ausreichende Weise hilfreich unter die Arme zu greifen.

Und das "liberal" in Ihrem Namen bedeutet, daß sie vorwiegend wirtschaftsliberal denken?

Haring: Das "liberal" bedeutet in aller erster Linie freiheitlich denkend. Natürlich bedeutet es auch wirtschaftsliberal. Dies hat sowohl etwas mit dem Denken der Wirtschaft als auch etwas mit dem Denken der Bürger zu tun. Sie müssen mehr als bisher dazu animiert werden, sich am Gestaltungsprozeß in der Bundesrepublik zu beteiligen. Sie müssen sich mehr politisch interessieren und . auch in politische Parteien eintreten und sich hier beteiligen. Es ist sicherlich so, daß die Menschen mehr Freiräume bekommen, und das muß durch die politischen Parteien auch nach und nach dem Bürger vemittelt werden.

Können Sie ich auch eine Zusammenarbeit mit den Christdemokraten vorstellen?

Haring: Ich könnte mir durchaus eine Zusammenarbeit mit der CDU vorstellen. Ich könnte mir allerdings auch eine weitere, besser: erneute Zusammenarbeit mit der SPD vorstellen, wenn sich die Sozialdemokraten wieder dorthin bewegen, wo sie einmal gewesen sind. Derzeit ist für mich eine engere Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten allerdings eher ausgeschlossen.

Wo sehen Sie jetzt als eher links-liberale Partei Ihr Wählerpotential?

Haring: Ich glaube, das Wählerpotential der SLP liegt zum einen natürlich in den neuen Ländern in dem Bereich derer, die definitiv eine Zusammenarbeit der hiesigen, demokratischen Parteien mit der PDS ablehnen. Dann liegt ein Potential an Wählern gerade auch bei denen, die sich durch die FDP in ihrem liberalen Gedankengut nicht mehr vertreten sehen. Die FDP ist eine reine Klientelpartei geworden, und wenn man es etwas scharf ausdrückt, ist sie die Partei für reiche Anwälte und reiche Zahnärzte. Viele Leute fühlen sich von einer solchen Partei nicht mehr vertreten. Die liberalen Gedanken waren schon immer auch mit einer sozialen Komponente verbunden. Das ist ein relativ großer Teil in der Bevölkerung, der so denkt – und ich meine, hier liegt ein Potential an Wählern gerade für eine sozialliberale Partei.

Planen Sie auch bundesweite Aktivitäten?

Haring: Wir sind grundsätzlich als Bundespartei gegründet, und unsere Aktivitäten werden sich mittelfristig auch bundesweit entfalten. Problematisch sind vor diesem Hintergrund noch rein organisatorische Fragen. Es gibt jedoch bereits erste Mitglieder aus anderen Bundesländern, die sich schon stark engagieren wollen, so daß wir mittelfristig auf Bundesebene sicherlich eine Rolle spielen können. Sie kommen zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg. Diese Personen werden auch vor Ort versuchen, Anhänger zu finden. Bei uns und bei unseren Mitstreitern stehen die Telefone schon seit einiger Zeit nicht mehr still. Die Resonanz war wesentlich stärker als wir das zunächst erwartet haben. Wir können recht zuversichtlich in die Zukunft schauen und mit dem Start unserer Partei recht zufrieden sein. Es kommen aus dem ganzen Bundesgebiet Anfragen nach unserem Grundsatzprogramm. Wir kommen im Moment gar nicht dazu, alle Anfragen kurzfristig zu beantworten. Wir werden wahrscheinlich bald weitere Landesverbände in anderen Bundesländer gründen können.

Wieviele Mitglieder haben Sie bereits und welche prominenten Akteure sind schon bei Ihnen oder interessieren sich für Sie?

Haring: Am Gründungstag zählte die Sozialliberale Partei bereits über 20 Mitglieder. Legt man erste Gespräche mit zahlreichen dieser Gründungsmitglieder zu grunde, dürften es bis heute bereits über 40 sein, und aufgrund der Telefonate und persönlichen Gespräche der vergangenen Tage gehen wir davon aus, daß sich die Zahl weiterhin erhöhen wird. Der am Samstag in Schwerin zum Parteivorsitzenden gewählte Kommunalpolitiker Bruno Schuckmann hat in den vergangenen Jahren durch seine kontinuierliche Arbeit gegen die geplante Koalition der SPD mit der PDS bereits massiv an bundesweiter Bekanntheit gewonnen und ist damit derzeit mit Sicherheit auch das prominenteste Parteimitglied. Ich denke aber, das Sie verstehen können, daß ich über Namen von Personen, die sich für unsere Partei interessieren, derzeit keine Auskunft geben kann.

Was sind ihre politischen Konzepte bundesweit und für Mecklenburg-Vorpommern? Was wollen Sie anders machen als die SPD?

Haring: Ganz wesentlich ist hier die Arbeits- und Sozialpolitik. Es geht zum Beispiel nicht, daß man mit zusätzlichen Regelungen und Gesetzen den Menschen Überstunden verbietet. Dahingegen muß es für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer attraktiver werden, Überstunden im eigenen Sinne abzubauen, um somit die Grundlage dafür zu geben, die dann freiwerdende Arbeitszeit neu zu verteilen. Wesentlich ist allerdings auch die Bildungspolitik. Hier soll eine bundesweite Offensive gestartet werden. Das heißt ganz konkret, daß wir ein bundesweit einheitliches Zwölf-Jahres-Abitur mit neuen, an den Anforderungen der heutigen Zeit orientierten Lerninhalten fordern, um unseren Schülern bessere Zukunftschancen zu ermöglichen und uns gleichzeitig den Gegebenheiten in Europa anzupassen.Unsere Hochschulabsolventen sind im Durchschnitt 28 Jahre, die unserer Nachbarstaaten in der Regel vier bis fünf Jahre jünger. Hier wird sich einiges sehr erheblich ändern müssen.

 

Stephan Haring geboren 1978 in Schwerin, machte er 1996 Abitur, danach eine Banklehre. Heute arbeitet erals kaufmännischer Angestellter bei einer großen Immobilienfirma. 1995 trat er in die SPD ein. Seit dem vorigen Wochenende ist er Pressesprecher der Sozialliberalen Partei (SLP) in Mecklenburg-Vorpommern.


 
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