© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Zukunftsfähigkeit
Karl Heinzen

"Frauentag ist Männersache", behauptet Fleurop mit deutlicher Hoffnung auf Umsatzspitzen am 8. März und trägt damit vielleicht gerade noch rechtzeitig dem demographischen Wandel Rechnung. Diejenigen Menschen, denen anläßlich des rührseligen und zudem unverblümt nationalsozialistischen Muttertages eine Bringschuld eingeredet werden könnte, werden nämlich immer weniger. Schon bald müßte der Punkt erreicht sein, an dem sich der Staat die vom Verfassungsgericht oktroyierte steuerliche Entlastung der Zuchtpaare auch leisten kann. Damit dürfte aber zugleich der Unmut der Mehrheit, die für diesen Luxus hart arbeiten muß, so stark sein, daß der begünstigten Mehrheit der Kinderhalter ein Verzicht auf die symbolische Anmaßung eines Muttertages und der mit diesem zu empfehlen ist.

Niemand sollte sich darauf verlassen, daß er den Verfassungsauftrag, "Ehe" und "Familie" zu schützen, zu Erpressungsversuchen gegen die Gesellschaft mißbrauchen kann. Es mag zwar sein, daß auch der Wille der Mehrheit bestimmte Staatsziele nicht einfach aufzuheben vermag: Was aber unter Ehe und Familie tatsächlich zu verstehen ist, hat er immer noch in seiner Definitionsgewalt. Man kann nicht verlangen, daß Recht und Realität auf Dauer merklich auseinanderklaffen. Normal aber ist, was die Gesellschaft alltäglich vorlebt: Die Familie ist es jedenfalls nicht. Der schwarz-grüne Frondeur Matthias Berninger (ehemals 21), der ihr dennoch einen Platz in der Glaubenslehre seiner Partei erstreiten möchte, betreibt also Minderheitenpolitik im klassischen Stil.

Wer die Familie protegiert, verkennt die natürlichen Gesetze des Marktes, die keinen anderen Schluß zulassen: Kinder sind Konsum der Eltern. Immerhin heißt das, daß eine prinzipiell auf Konsumentensouveränität bauende Gesellschaft die freie Entscheidung von Individuen, Nachwuchs in die Welt zu setzen, respektieren muß, auch wenn sie sie als Ausweis irrationalen Verhaltens nicht nachvollziehen kann. Marktkonform ist es allerdings, auch hier für Transparenz zu sorgen: Was kommt auf Menschen zu, die sich in Familie begeben? Was erwartet insbesodere die Frauen, die sich in eine Mutterschaft abschieben lassen? Welchen nervlichen Aufwand verlangt eine Erziehung, die den Erwartungen einer erwachsenen Demokratie gerecht wird? Ein Staat, der auf Grenzen verzichtet, verbindet damit zugleich eine Chance für die individuelle Lebensgestaltung seiner Bürger. Er kann sie von der Aufgabe der vermeintlich natürlichen Reproduktion entbinden, mehr noch: Er muß sogar dafür Sorge tragen, daß die Menschen in ihrer Bezogenheit auf andere nicht von sich selbst abgelenkt werden. Nachvollziehbar ist der Mensch nur im Tausch. Wer das Eigeninteresse unterhöhlt, entzieht unserem Gemeinwesen seine Rationalität und seine Zukunftsfähigkeit. Die mehrheitliche Zurückweisung der Mutterrolle bezeugt, daß die Menschen diesen Weg nicht gehen wollen.


 
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